Yay, Barbie!
Für wen ist der neue Barbie-Film?
Kommentar von Johannes Holzer
Schon im Trailer des heiß erwarteten Sommerblockbusters, wirbt Warner Brothers zielsicher mit den Zeilen: „Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich!“, aber auch, „wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich!“ Jetzt ist er endlich angelaufen. Hier mein Versuch die Frage zu klären: „Für wen ist dieser Film?“
Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich
Spätestens seit 2022 die Luxusmarke Valentino die „Pink PP Collection“ auf den Laufsteg brachte, knallte die Farbe Pink wieder überall ins Blickfeld. Der sogenannte „Barbiecore“-Trend war nicht mehr aufzuhalten. Da kommt der „Barbie“-Film genau richtig, um sich in sein bestes pinkes Outfit zu schmeißen und mit Freunden den Kinobesuch zum Event zu erklären. Und der Film liefert die komplette Dosis erhoffte Barbie-Nostalgie ab. Margot Robbie hat als „Stereotypical-Barbie“ sichtlich Spaß am Gücklichsein im Barbieland. Sie versteht, wie zuletzt nur Reese Witherspoon als Elle Woods in Legally Blonde (2001), dass der Antiintellektualismus einer Barbie Puppe eben nicht mit fehlendem Intellektualismus gleichzusetzen ist. Diese Barbie ist schließlich durchaus in der Lage, sich unter anderem mit dem Konzept des Todes auseinander zu setzen.
Wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich
Zugegeben, man muss nicht die US-amerikanische Frauenrechtlerin Gloria Steinem sein, um bei der Ankündigung eines neuen Barbie-Films mit dem Jubel zu zögern. Die ikonische Puppe ist schon immer eng mit der gesellschaftlichen Diskussion um Feminismus verwoben gewesen. Also der perfekte Job für Greta Gerwig als Regisseurin. Sie hat schon in ihren beiden ersten Filmen „Ladybird“ und „Little Women“ kompromisslos die Realität der Frau im Patriarchat ins Zentrum ihrer Geschichten gesetzt.
Barbie ist glücklich im Barbieland. Sie hat jungen Mädchen auf der ganzen Welt gezeigt, dass man als Frau alles sein kann. Vorher gab es nur Puppen, um die Rolle der Mutter zu spielen. Mittlerweile sind Barbies in allen Berufen – von der Doktorin bis zur Astronautin – angekommen. Und an der Spitze von Barbieland ist eine Präsidenten-Barbie, welche Mattel bereits 1992 erstmalig auf den Markt brachte. Barbie ist stolz darauf in der realen Welt alle Probleme des Feminismus gelöst zu haben. Doch sie muss schnell herausfinden, dass die Realität ganz anders aussieht.
Man kann über den Mut von Mattel, sich mit diesem Film in die Schusslinie der eigenen Historie zu begeben, nur staunen. Es dauert keine 30 Minuten und Barbie wird in der echten Welt von einer Gruppe Mädchen als Faschistin bezeichnet und fängt an zu weinen. Und es ist kein Zufall, dass die Mitarbeiter von Mattel in diesem Film alle Männer sind. Angeführt von einem leider etwas gebändigten Will Ferrell als CEO, dem es bis zum Ende des Filmes nur ums Geld geht. Natürlich könnten die Witze in diesen Teilen des Filmes noch böser und die Kommentare noch bissiger sein. Aber Mattel scheut nicht vor der Kritik zurück. Der Zyniker in mir muss dabei neidlos zugeben, was für ein genialer Marketing-Schachzug das ist. Das Signal, man sei sich durchaus bewusst, welche Rolle Barbie in der Vergangenheit in unserer Gesellschaft gespielt hat, und man setzt sich damit auseinander, um an Ende die Frage stellen zu können: Wohin kann Barbie in dieser modernen Welt gehen?
Wenn du eine Frau oder ein Mann bist, oder dich nicht so leicht in eine Schublade zwängen lässt, ist dieser Film für dich
Bei diesem Film hätte es schnell passieren können, dass er sich nur auf das reiche Innenleben seiner Hauptprotagonistin konzentriert. Was passiert mit Barbie, wenn sie das Patriarchat der echten Welt kennenlernt? In Barbieland funktioniert schließlich alles perfekt und hier sind die Frauen an der Macht während die Kens einfach nur am Strand „viben“. Aber Greta Gerwig hat für ihre Figur Ken, oscarreif von Ryan Gossling verkörpert, genausoviel Liebe übrig. Schließlich haben die Strukturen unserer Welt auch Auswirkungen auf Männer. So muss sich Ken auf seine ganz eigene Reise begeben, um herauszufinden, ob er „Kenough“ ist. Am Ende habe ich mich als Mann erstaunlich gut aufgehoben und verstanden gefühlt in diesem Film.
Und dann ist da noch Alan, wunderbar von Michael Cera interpretiert, der kein wirklicher Ken ist, sich nicht mit diesen identifizieren kann und lieber bei den Barbies abhängt. Aber so richtig gehört er auch nicht zu ihnen und ist genauso wie „weird-Barbie“ (großartige Performance von Kate McKinnon) ein Außenseiter im perfekten Barbieland.
Zuletzt bringt America Ferrara dann in ihrem Monolog perfekt auf den Punkt, wie sich das alles anfühlt. Es erstaunt dann auch nicht mehr, dass man von Szenenapplaus in einigen Kinosälen lesen konnte.
Wenn du dich gerne aufregst, ist dieser Film für dich
Dieser ganze „Woke“-Kram geht einfach zu weit? Keine Sorge, dieser Film bietet reichlich Plattform ihn falsch zu verstehen. So dauerte es nicht lange, bis die ersten konservativen Menschen anfingen, den Film als Anti-Mann und endgültigen Beweis für die überall aufgezwungene LGBTQ+ Agenda zu bezeichnen. Ryan Gosling flirtet hier auf der großen Leinwand mit einer Barbie, welche von trans Schauspielerin Hari Nef gespielt wird?! Da Hari Nef in diesem Film allerdings „nur“ eine von vielen Barbies spielt und die Geschlechtsidentität im Film gar nicht thematisiert wird, muss die Frage erlaubt sein, ob die Obsession mit diesem Thema nicht eher einseitig ist? Und wenn Freundinnen auf der ganzen Welt seit Jahren „Fight-Club“ verstehen, dann können Männer auch „Barbie“ verstehen.
Wenn für dich „Oppenheimer“ der Blockbuster des Jahres ist, ist dieser Film für dich
Das hat das Marketing bis jetzt noch nicht gesehen: Das Phänomen „Barbenheimer“. Christopher Nolans 3-Stunden Imax-Epos „Oppenheimer“ über den Vater der Atombombe hatte das gleiche Erscheinungsdatum wie Barbie. Die Komik der Unterschiede dieser beiden Blockbuster blieb dem Internet nicht verborgen und so war das Barbenheimer-Meme geboren. Und es war schön zu sehen, wie daraus nicht Barbie vs. Oppenheimer, sondern die Frage „welchen Film soll ich als Erstes sehen?“ wurde. Was der ein oder andere Christopher Nolan Fan vielleicht nicht direkt auf dem Schirm hat, ist, dass sich Greta Gerwig hinsichtlich des Handwerks des Filmemachens auf keinen Fall hinter dem Großmeister verstecken muss. Das Produktionsdesign des Barbielandes ist atemberaubend schön und einzigartig. Querverweise auf die großen Klassiker der Filmgeschichte, wohin das Auge reicht. Nicht nur die eindeutige Hommage an Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ der ersten Szene lassen die Herzen von Filmliebhabern höher schlagen. So ist es hier eben eine „Pink brick road“ statt der „Yellow brick road“ aus der Wizard of Oz. Und die Frisur von Margot Robbie erinnert mehr als einmal an Catherine Deneuves Haar in „Die Regenschirme von Cherbourg“ aus dem Jahr 1964. An dieser Stelle sei vermerkt, dass man mehrere komplette Doktorarbeiten über alle subtilen Verbeugungen vor den wichtigsten Werken der Filmgeschichte verfassen könnte.
Fazit: Dieser Film ist für dich
Und das Beste: Auch wenn einen das alles überhaupt kein bisschen interessiert und man einfach nur einen entspannten Kino-Besuch genießen will, ist Barbie der perfekte Film! Ein buntes Abenteuer, in dem alle Witze sitzen. Der Film hat sich seine kitschigsten Momente verdient. Und was ist Kitsch, wenn nicht die Suche nach fundamentalen Wahrheiten in vollkommener Schönheit? Somit wird Barbie zur emotionalen Achterbahnfahrt durch authentische Künstlichkeit für jeden, der bereit ist einzusteigen. Und ich schäme mich nicht am Ende zuzugeben: Dieser Ken hat geweint!
Über den Autor
Johannes Holzer ist ein Filmliebhaber und arbeitet in der Marketingabteilung der Spielwarenmesse eG. Sein breites Interessensspektrum reicht von Hollywood- bis hin zu Indie-Filmen. Seit zwei Jahrzehnten beobachtet er die Entwicklungen der Filmszene genau.