"Endlich wieder eine richtig große Messe"

Interview mit Florian Sieber, Märklin

Von Peter Pernsteiner

Zwei Jahre gab es keine Spielwarenmesse und der Modelleisenbahnhersteller Märklin musste sogar seine großen Tage der offenen Tür absagen. Jetzt kann es aber endlich wieder richtig losgehen und Florian Sieber, Geschäftsführender Gesellschafter von Märklin freut sich, dass auf der Spielwarenmesse nun sogar Endverbraucher zwei Tage in die Halle 7A für Modelleisenbahn und Modellbau reinschauen dürfen.

In den letzten beiden Jahren forderte die Pandemie von der gesamten Spielwarenbranche einen großen Tribut. Viele Ausstellungen mussten abgesagt werden und auch die Spielwarenmesse konnte zweimal nur in kleinem Rahmen digital stattfinden. Dies traf auch den Modelleisenbahnhersteller Märklin. Dabei gab es nicht nur die bekannten erheblichen Probleme mit den Lieferketten. Schweren Herzens musste das Unternehmen zudem die 2021 in Göppingen wieder anstehende Internationale Modellbahn-Ausstellung in Kombination mit den „Märklin-Tagen“ als Tage der Offenen Tür absagen. Und schließlich musste die Eröffnung des Firmenmuseums „Märklineum“ mehrmals verschoben werden – seit Juni 2022 steht das Märklineum nun aber in voller Pracht und ohne Einschränkungen Besuchern und Gruppen zur Erlebnis-Besichtigung offen. Immerhin hatte die Pandemie auch einen positiven Aspekt – viele Menschen haben das bei ihnen etwas in Vergessenheit geratene Hobby Modelleisenbahn neu entdeckt. Wir diskutierten mit Florian Sieber über die zurückliegende Zeit und über die jetzt bevorstehende Spielwarenmesse 2023.

Ihr Unternehmen hatte in der Pandemie große Einschränkungen zu meistern, aber trotzdem haben Sie diese Krise halbwegs überstanden!?

Florian Sieber auf der Internationalen Modellbahnausstellung 2019 in Göppingen (Foto: Pernsteiner)

Florian Sieber: In der Pandemie hatten wir anfänglich große Befürchtungen. Einerseits schien uns durch den Lockdown die Basis für unseren Umsatz – der lokale Fachhandel – weggebrochen zu sein. Andrerseits mussten durch hohe Krankheitsraten in unseren Werken Betriebsschließungen erfolgen. Durch Schutzmaßnahmen unsererseits konnte die Produktion dann jedoch schnell wieder hochgefahren werden. Genau zum richtigen Zeitpunkt, da der Handel sich durch Digitalisierung und findige Maßnahmen wie kontaktlose Übergabe recht schnell auf die neue Situation eingestellt hatte. Zusammen mit den richtigen Entscheidungen des letzten Jahrzehnts zu zielgruppenorientierter Produktpolitik, guter Bevorratung und marktgerechten Preisen haben wir dann sogar das Ergebnis drehen können und zwei sehr gute Jahre erlebt – wie andere Marktteilnehmer auch. Die Sehnsucht der Verbraucher nach Beschäftigung mit einem sinnvollen Hobby während der Kontaktbeschränkungen hat der gesamten Branche gutgetan.

Wie zufrieden sind Sie mit den zurückliegenden Umsätzen?

Florian Sieber: Wir müssen die letzten beiden Jahre unterschiedlich betrachten: in der Lockdown Zeit hatten wir eine sehr gute Entwicklung aus den zuvor genannten Gründen.

2022 war viel herausfordernder. Durch die anhaltenden Pandemie-Probleme in China haben auch wir – trotz weitestgehender Absicherung mit Elektronikbauteilen von teilweise bis zu 18 Monaten – die Knappheit und die Lieferprobleme bei dem ein oder anderen Produkt zu spüren bekommen. Wir mussten mehrfach Ersatzbauteile beschaffen und dafür die Elektronik in einzelnen Produkten umlayouten, was höhere Kosten, aber auch Lieferverzögerungen zur Folge hatte. 

Hinzu kam der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der auch für uns konkrete wirtschaftliche Auswirkungen mit sich gebracht hat. Insbesondere Kostensteigerungen in unseren Produktionsprozessen – von Rohstoffen, über Energie bis hin zu den Löhnen unserer Mitarbeiter.

Das führte aber auch zu höheren Endverbraucherpreisen, die bei weitem nicht alle mitmachen können. Sie sind vermutlich nicht in der glücklichen Lage, dass alle nur noch nach Ihren teuren Hightech-Modellen lechzen?

Kinder ab 3 Jahren will Märklin mit der neuen Startpackung „Autotransport“ begeistern. Sie enthält unter anderem eine fernsteuerbare Lok mit Akku-Stromversorgung und ein 190 x 85 Zentimeter großes Gleisoval nebst zwei Weichen für ein Ausweichgleis. (Foto: Märklin)

Florian Sieber: Natürlich mussten auch wir einen Teil dieser Kostensteigerungen über Preiserhöhungen weitergeben, wobei wir dies nicht in vollem Maße tun wollten. Das Hobby muss bezahlbar bleiben. Gerade jetzt, wo man sich ein Stück heile Welt herbeisehnt, die die Modellbahn ja stets bietet. Dennoch: eine gewisse Zurückhaltung verschiedener Kundengruppen, die Kostensteigerungen aus anderen lebensnotwendigen Bereichen abfedern müssen, ist auch bei uns zu spüren. 

Eine Veränderung der Nachfrage beim Verhältnis von Hightech-Modellen und erschwinglicheren Produkten ist aktuell noch nicht erkennbar. Auch wenn wir das Ergebnis des Vorjahres nicht mehr erreichen können, befinden uns jedoch immer noch deutlich über dem Niveau der Vor-Pandemiejahre. Unsere Kampagnen zur Weihnachtszeit mit preisreduzierten Einsteigersets haben auch im gerade zurückliegenden Weihnachtsgeschäft wieder vergleichbare Neukundenzahlen gebracht.

Für Schwung sorgten zudem große Events bei unseren Spurweiten G und Z. Einmal der famose Weltrekord, den die Rhätische Bahn am 29.10.2022 in der Schweiz aufgestellt hat: den längsten Personenzug mit fast zwei Kilometern Länge auf einer der schönsten Bahnstrecken der Welt. Hier haben wir als wesentlicher Partner, der von Anfang an das Projekt begleitet hat, natürlich vom enormen Medienecho profitiert, das diese spektakuläre Aktion ausgelöst hat. Andererseits haben wir als Firma Märklin und unserer Marke LGB mit unserer Kommunikation das Event bedeutend befeuert. Ich würde sagen: eine Win-Win-Situation, die es in schwieriger Zeit braucht, um dem Thema Eisenbahn auf allen Seiten die gebührende Aufmerksamkeit zu schaffen.

Obwohl der Kleinwagen Klv 20 für Streckenkontrollen in Spur Z nur 21,7 Millimeter kurz ist, hat er einen Glockenankermotor als Antrieb. (Foto: Märklin)

Die Spurweite Z profitierte auch von unseren Aktivitäten rund um das 50-jährige Jubiläum im Jahr 2022 – ein großes Produktportfolio, viele Aktionen und den Höhepunkt beim Spur Z Treffen in Altenbeken im Mai, wo wir mit der Spur Z Community den Geburtstag des Mini-Club gebührend gefeiert haben.

Neben den Märklin- und Trix-Nenngrößen Z (1:220), N (1:160) und H0 (1:87) spielen in Ihrem Unternehmen aber auch ganz große Eisenbahnen mit 45 Millimetern Spurweite eine starke Rolle?

Florian Sieber: Ja natürlich; das Spur 1-Segment bereitet uns viel Freude, weil wir hier Modelle besonders realistisch nachbilden können. Vorteile sind der Detailreichtum und die einzigartige Bauweise aus schwerem Druckguss mit filigran angesetzten Messingteilen. Sie garantieren ein besonderes haptisches Erlebnis bereits beim Anfassen und sie besitzen durch ihr Gewicht eine einzigartige Zugkraft. Viele Funktionen runden den Fahrspaß ab. In Verbindung mit der attraktiven Modellauswahl, die wir in den vergangenen Jahren aufs Gleis gebracht haben, haben wir hier eine gute und treue Fangemeinde bedienen können. Darunter waren beispielsweise die gigantischen Dampfloks der Serie 241 bzw. Baureihe 08, das Krokodil und sein Vorläufer, die legendäre Köfferli-Lok. In den nächsten Wochen startet nun die Auslieferung der berühmten bayerischen Rekord-Schnellzuglok S 2/6. Im Laufe des Jahres sollen die Dampflok „Schorsch“, die schwere Güterzug-E-Lok der Baureihe 151 und der zierlich kleine Dieseltriebwagen mit dem liebevollen Kosenamen „Schweineschnäuzchen“ folgen.

Die letztes Jahr in Spur 1 angekündigte historische Weltrekord-Dampflok S 2/6 wird auf der Spielwarenmesse 2023 in einer sehr eleganten fiktiven blau/schwarzen Farbgebung vorgestellt. (Foto: Märklin)

Solche Premium-Modelle haben aber auch ihren Preis – 3.649 Euro für das aktuelle Spur 1-Modell der Bayerischen S 2/6 sind eine Menge Geld. In diesem Segment lassen sich nicht Tausende verkaufen und nicht jeder hat dafür entsprechend Platz.

Florian Sieber: Da gebe ich ihnen Recht. Allerdings arbeiten wir hier mit extrem niedrigen Stückzahlen und müssen die Werkzeug- und Entwicklungskosten irgendwie zurück verdienen. Wenn man sich den Wettbewerb in diesem Maßstab ansieht, machen wir hier, denke ich, einen super Job und schaffen im Vergleich sehr wettbewerbsfähige Modelle, von denen auch der Handel leben kann.

Unsere Loks können neuerdings auch in einer unserer Präsentationsvitrinen im Wohnzimmer, Konferenzraum oder Büro als schmuckes Schaustück edel ausgestellt werden. Ein Garant für interessante Gespräche mit Besuchern. Zudem lassen sich unsere Spur 1-Loks sogar per Smartphone in den gerade ausgelieferten Funktionsvitrinen steuern und präsentieren – ein imposanter Eindruck.

Mehr als drei Meter lang ist der vierteilige Gartenbahnzug „Capricorn“ von LGB. Sein Vorbild war in 25-facher Ausführung am 29. Oktober in der Schweiz an der Rekord-Fahrt zum längsten Reisezug der Welt beteiligt. (Foto: LGB)

Neben der Spur 1 haben Sie in Ihrem Konzern noch eine weitere vorhin schon mal von Ihnen erwähnte Modelleisenbahn. Mit ebenfalls 45 Millimetern Schienenabstand bedient diese Marke aber ganz andere Kunden – LGB!

Florian Sieber: Auch unsere LGB-Gartenbahn erfreut sich großer Beliebtheit. Hier setzen wir auf einen Mix aus einerseits preiswerten Modellen mit hohem Spielspaß, wie die Harz-Lokomotiven oder auch die Schweizer Loks der RhB. Andererseits bedienen wir den anspruchsvollen Sammler mit unseren High End Modellen. Hier seien beispielhaft die HG 4/4, die rhätischen Krokodile oder aus dem jetzt aktuell vorgestellten Sortiment die erste Dampflok der RhB – die Rhätia benannt. Ein Highlight für Freunde der Schweizer Bahnen mit entsprechender Lust zu langen Zügen ist der neu vorgestellte Triebzug Capricorn. Unser Zug ist genau der, der den Weltrekordzug im vergangenen Jahr angeführt hat. Stattliche drei Meter misst der komplette 4-teilige Zug. Wer dieses Set 25mal kauft, könnte glatt den kompletten 100-teiligen Weltrekordzug nachbauen. Nein. Spaß beiseite. Bei unseren großen Spurweiten bekommen Sie richtig viel für Ihr Geld!

Für LGB hatten sie im Herbst das Weltrekord-Event in der Schweiz und für Spur 1 war im Sommer in Speyer erstmals wieder eine Messe, aber in sehr überschaubarem Umfang. Am 10./ 11. Dezember 2022 war Märklin dann auch als Aussteller auf den „Spur1-Tagen“ in Mellrichstadt präsent. Wann gehen Sie wieder mehr auf große Messen?

Florian Sieber: Das Internationale Spur 1-Treffen in Speyer war für uns ein kleiner Testlauf nach der Corona-Pandemie. Diese Spezial-Messen sind für unsere Nischenmarkt-Produkte wie Spur 1 sehr wichtig. Deshalb waren wir auch gerne in Mellrichstadt mit dabei. Aber auch die großen Messen sind inzwischen wieder gestartet. Die Internationale Modellbahnausstellung in Friedrichshafen Anfang November hat sowohl unseren Mitarbeitern als auch unseren Kunden viel Freude bereitet. Man konnte sich endlich mal wieder persönlich treffen, fachsimpeln und vor allem Modelle und Anlagen begutachten. Der große Messereigen im Jahr 2023 beginnt für uns mit der Spielwarenmesse im Februar, die ja erstmals mit zwei Verbrauchertagen in der Modellbahnhalle aufwartet, dann folgen Mannheim im März und Dortmund im April. Somit können wir dem größten Teil der Republik und dem benachbarten Ausland sehr schnell unsere Neuheiten in Form von Mustern live vorstellen.

Die moderne Dual Mode-Vectron-Lok in H0 wird wie das Vorbild sowohl einen Dieselmotor- als auch einen Elektromotor-Sound an Bord haben und einen echten Einblick in den Maschinenraum bieten. (Foto: Märklin)

Auf was können sich die Kunden bei Ihnen am Märklin-Messestand freuen?

Florian Sieber: Unsere Neuheiten haben wir am 17. Januar, veröffentlicht. Ein bunter Reigen von tollen Dampfloks wie der Baureihe 01.10, der Baureihe 43 bis zu modernen Maschinen wie dem Dual Mode Vectron, nostalgischen Zügen wie dem Pullman Edelweiß über Design-Ikonen wie dem Metropolitan Zug von MINITRIX. Ein optischer Genuss wie in Vor-Pandemie-Zeiten – wir freuen uns darauf und unsere Kunden ebenso. Besucher können sich über Anlagen in jeder Spurweite freuen und es stehen kompetente Ansprechpartner für gute Diskussionen bereit.

Werden die neuen Loks und Züge dann im Fahreinsatz zu sehen sein?

Florian Sieber: Einige Neuheiten können auch im Fahreinsatz bewundert werden, aber der Großteil sind noch Handmuster, die in den Vitrinen präsentiert werden.

An den letzten beiden Messetagen, den 4. und 5. Februar 2023 finden die „Open Day Modelleisenbahn & Modellbau“ statt. Die Pforten der Halle 7A stehen für Endverbraucher offen. Was erwarten Sie sich von diesen beiden Tagen und worauf können sich die Besucher freuen?

Florian Sieber: Ich freue mich riesig auf die Messe, die endlich wieder stattfinden wird. Die Modellbahn ist ein sehr vitaler Bereich der Spielwarenmesse. Darüber hinaus halten wir die Open Days für eine super Maßnahme. Wir schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens wird dem Handel eine Gesprächsplattform geboten und zweitens können wir die Infrastruktur nutzen, um unsere Kunden zu überraschen. Wir werden Muster zeigen, Modelle präsentieren und bekommen damit ein frühes Feedback von den Endkunden über das Programm.

Unsere Produktentwickler und das ganze Team haben sich seit langer Zeit auf den Moment vorbereitet, in dem sie die für unsere Kunden entwickelten Fahrzeuge endlich präsentieren können. Mit den Open Days in Nürnberg wird das nun für den süddeutschen Raum zeitlich bereits früher erfolgen, als zum bisherigen Messesaisonstart für Modellbahnfans in Mannheim und Dortmund. Deshalb haben wir uns bei der Spielwarenmesse auch dafür ausgesprochen, die Hallen am Wochenende für Verbraucher zu öffnen.

Über den Autor:

Peter Pernsteiner entdeckte mitten im Elektrotechnik Studium seine Liebe zum Technik-Journalismus und landete bald danach in der Redaktion einer großen ITK-Fachzeitschrift. Seit 1994 schreibt er als freier Journalist insbesondere über Technik-Themen – unter anderem für Magazine im Bereich Modelleisenbahn. 2016 startete er zudem einen YouTube-Kanal für Technikreportagen, der inzwischen weltweit Beachtung findet.

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