Wenn der Spieleautor zum Verleger wird

Juma Al-JouJou erschafft Spiele für eine bessere Welt

Von Peter Budig

Foto: Karma Games

Auf der Spielwarenmesse 2023 war ein junger Mann namens Juma Al-JouJou als Scout unterwegs, um begabte Spieleautoren zu entdecken. Vor wenigen Jahren noch hatte er seine Spieleerfindung auf der Spieleautorentagung in Göttingen selbst dargeboten. „Niemand wollte mein Spiel verlegen, also habe ich meinen eigenen Verlag gegründet“, erinnert er sich. Diese Geschichte handelt also davon, wie man mit klugem Konzept, enormem Fleiß, großer Frustrationstoleranz, unter Nutzung moderner Fundraising-Optionen einen Weltbestseller erschaffen kann. Der Verlag, in dem dies geschah, heißt Karma Games.

Nachwuchsförderung ist heute überall ein großes Thema, ob Profifußball oder Brettspielbranche. Seit diesem Jahr findet die Internationale Spieleerfindermesse, als eigene Veranstaltung während der Spielwarenmesse statt. Die Veranstaltung hat der Spiele-Journalist Tom Werneck vor Jahren in Haar bei München ins Leben gerufen. „Dieser wichtige Schritt ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“, freute sich der Gründer des Bayerischen Spielearchivs, Tom Werneck, und strahlte wie ein Kind im Spielzeugladen. An Holztischen saßen Spieleerfinder aus aller Welt mit ihren Prototypen und träumten von ihrer Entdeckung. Dazwischen gingen Scouts der Spieleverlage von Tisch zu Tisch, lasen fachmännisch die Anleitungen, stellten Fragen.

Karma Games: Spiele mit Ideen für eine bessere Welt

Bevor Juma Al-JouJou als Unternehmer tätig wurde, hat er einen Bachelor-Abschluss in Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg absolviert. Anschließend war er von 2008 bis 2010 kurz als SAP-Consultant tätig. Diese Festanstellung förderte seine Überzeugung, dass freies Unternehmertum besser zu ihm passen würde. Es folgte 2010 bis 2012 ein internationaler Doppelmaster-Studiengang „Innovation Management & Entrepreneurship/Business Administration“ an der TU Berlin und der Universität Twente in den Niederlanden. Dieses Studium, sagt er rückblickend, habe seinen Blick für internationale Märkte geschärft und seine Englischkenntnisse perfektioniert. Außerdem nutzte er die Zeit zu intensivem Nachdenken: Er analysierte Spieleklassiker wie El Grande von Wolfgang Kramer und überlegte, was er am Regelwerk verändern würde. Aus dem Studium heraus entstand die Bewerbung für ein EXIST-Gründerstipendium, ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) vergeben wird. „Wichtigste Voraussetzung ist, dass es sich bei der geplanten Geschäftsidee um ein innovatives, technologieorientiertes oder wissensbasiertes Produkt mit signifikanten Alleinstellungsmerkmalen und guten wirtschaftlichen Erfolgsaussichten handelt.“ Er bekam das Stipendium, gleichbeim ersten Anlauf, was ungewöhnlich ist und realisierte ein Projekt, „Online-Lernspiele als Kommunikationsmedium für verantwortungsvolle Firmen“ zu etablieren. Parallel dazu entwickelte er „Green Deal“, sein erstes anspruchsvolles Brettspiel: „Es war in der Anlage sehr unternehmerisch, sehr nachhaltig, sehr international“ erinnert er sich. In diese Zeit fiel die Verlagsgründung von „Karma Games“. Der Verkaufserfolg war noch bescheiden, enorm jedoch der Erkenntnisgewinn, nicht nur des Spieleautoren Al-JouJou sondern auch des Verlegers. Erstmals nutzte er mit „Startnext“ eine deutsche Crowdfunding-Plattform. „Fette Beute“, ein Kartenspiel, hieß die nächste Veröffentlichung.

Durch die Decke mit „Clans of Caledonia“

Foto: Karma Games

Bei der Arbeit an dem bewusst komplex aufgebauten Brettspiel „Clans of Caledonia“, es ist zwischen Kenner- und Expertenspiel angesiedelt, flossen die Erfahrungen aus den ersten Gründerjahren ein. „Ich will bewusst nachhaltige und attraktive Spiele machen, es geht um mehr als wirtschaftlichen Erfolg“, formuliert er sein Credo. 2016 stellte er es beim Göttinger Spieleautorentreffen vor. „Kein Verlag hat sich dafür wirklich interessiert.“, erzählt er fast achselzuckend. Er überzeugte den renommierten Grafiker Klemens Franz, sich der Haptik und Illustration anzunehmen. Und dann ging es auf einmal Schlag auf Schlag: Er startete eine internationale Kickstarter-Kampagne für das Spiel mit einem Zielbetrag von 29.000 Euro, die in ihrer Laufzeit bis zum 18. Mai 2017 von fast 6.500 Unterstützern mit fast 400.000 Euro unterstützt wurde. „Diese Form von Fundraising funktioniert nicht als Unternehmenskredit“, erläutert Al-JouJou. „Die Geldgeber zeichnen eine Vorbestellung im Vertrauen auf das persönliche Verleger-Versprechen. Das Kapital wird dementsprechend als Einnahme versteuert.“ Mit diesem Rückenwind wurde das Spiel offiziell bei den Internationalen Spieletagen 2017 in Essen vorgestellt und war innerhalb kurzer Zeit ausverkauft. Das ist es übrigens auch jetzt gerade wieder. Der Verlag, inzwischen um zwei feste und einen freien Mitarbeiter gewachsen, arbeitet an einer Erweiterung. Dann wird es auch eine Neuauflage geben. Clans of Caledonia wurde mehrmals ausgezeichnet, 2018 wurde es auf den vierten Platz des Deutschen Spielepreises gewählt und erhielt auch den MinD Spielepreis des Hochbegabtennetzwerks Mensa. 2019 hat Al-JouJou noch das edukative Spiel „HERTZSCHLAG“ zu erneuerbaren Energien veröffentlicht.

Es begann in einem Kinderheim

Wer ist dieser immer junge Mann, der so resilient, fleißig und messerscharf analytisch seinen Weg geht? Der, als gehöre es sich halt so, ein gutes Abitur absolvierte, Studiengänge in Regensburg und Berlin/Twente ohne Zeitverzug abschloss, darunter einen Doppelmaster mit Auslandsaufenthalt? Juma Al-JouJou kam am 30. September 1985 in Sharjah, in den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Welt. Der Vater verließ die Familie bald, die Mutter kehrte mit ihm nach Bayern zurück. Doch sie war alkoholkrank, konnte nicht für sich und ihr Kind sorgen. Mit sieben Jahren kam Juma nach Sulzbach-Rosenberg ins Kinderheim. Hier blieb er bis zum Abitur. „Ich habe immer mein Anderssein gespürt“, blickt er zurück. Er studierte früh Nietzsche und buddhistische Lehren, „die Lehren des Dalai Lama halfen mir, mich mit der Vergangenheit zu versöhnen.“ Ein entscheidendes Ereignis war der Besuch einer iranischen Flüchtlingsfamilie im Kinderheim, die kein Deutsch sprachen. „Der kleine Sohn spielte sehr gut Schach und ich erlebte, wie ein Spiel die Kommunikation ohne Sprache ermöglichte.“ Juma schloss sich dem örtlichen Schachclub an, mit großem Erfolg. Schach mit seiner Abwesenheit von Glücksfaktoren und seiner Berechenbarkeit gab ihm einen verlässlichen Halt, den er in seiner Familiensituation misste.

Dies habe er ins Uni- und Berufsleben mitgenommen: Analytisches Erfassen von Gegebenheiten und Möglichkeiten. „Man kann“, bilanziert Al-JouJou, „natürlich nicht alles vorausberechnen. Manchmal braucht man einfach nur Glück.“ Doch auch dies lässt sich naturwissenschaftlich erklären: „Der Zufall trifft nur einen vorbereiteten Geist“, postulierte der französische Chemiker und Bakteriologe Louis Pasteur schon 1822.

Ludographie von Juma Al-JouJou – Eine Auswahl

2013: Pretty Ugly: The Satirical Card Game against Beauty Mania (unveröffentlicht)

2014: Green Deal (Karma Games)

2015: Fette Ernte (Karma Games)

2017: Clans of Caledonia (Karma Games)

2019: Hertzschlag (Karma Games)

Mehr Information:

Zum Wikipedia-Eintrag über Juma Al-JouJou 

Zum Spieleverlag Karma Games

 

Über den Autor

Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.

Das könnte Sie auch interessieren