Ein Spiele-Designer mit vielen Fähigkeiten

Als Spieleerfinder hat Markus Utomo stets den Einsatz von KI und den Produktionsprozess im Blick

Von Peter Budig

Der Nürnberger Spieledesigner Markus Utomo hat zuletzt ca. zwei Millionen selbstgestaltete Spiele an den Mann oder besser ans Kind gebracht – eine branchenuntypisch große Zahl. Trotzdem behauptet er, nicht „der klassische Spieleautor zu sein“. Der studierte Industriedesigner mit dem Schwerpunkt „Spiele und Lernspiele“ wendet sich mit seinen Produkten nicht an Verlage. Seine Spielideen sind für einen anderen Kundenstamm gedacht. Sie sind zum Beispiel darauf ausgerichtet, dass Kinder auf Langstreckenflügen keine Langeweile empfinden. In diesem Fall ist die Lufthansa Utomos Auftraggeber und verteilt Spiele als willkommene Giveaways.

Kuscheltiere in Wurfbällen

Der Start ins Berufsleben des Markus Utomo verlief dramatisch: Er saß im Jahr 2008 an seiner ambitionierten Abschlussarbeit für den Diplomstudiengang „Industriedesign Fachgebiet Spiel- und Lernmitteldesign“ in Halle an der Saale. Auf der Zielgeraden fiel ihm eine Ausschreibung für einen Designwettbewerb eines von Bayern Design und der Plüschtierfirma Steiff ausgelobten Preises in die Hand: „Meine Kommilitonen haben mich für verrückt erklärt, weil sie, wie ich auch, sehr angestrengt in den letzten Zügen ihrer Abschlussarbeit steckten. Sein Bewerbungsprojekt für den Wettbewerb: Kuscheltiere, die in Bällen saßen, als Wurfspiel. Werden sie geworfen, werden die Bewegungsdaten digital erfasst und auf Ranglisten veröffentlicht. Das war ein lustiger Spaß für Kids und abends konnte man die Tiere zum Kuscheln wieder aus dem Ball holen. Damit gewann er den ersten Preis. 

Diplomarbeit als Einstiegshilfe ins Berufsleben

Utomos Diplomarbeit war dagegen ein Brettspiel mit digitaler Anbindung, das bereits Spuren von KI verwendete:  „we_want_robots“, ein Vergnügen mit Robotern. Die Arbeit bildete damit tatsächlich zum Abschluss seine Studien ab, die auch Auslandsaufenthalte in Oslo und Tokio beinhalteten, wo der Schwerpunkt auf Interaction-Design (eine Verbindung aus Software und Produktentwicklung) lag. Preis und Preisgeld erleichterten den Einstieg ins Berufsleben. Die Diplomarbeit war das Eintrittsticket für den Job in Festanstellung bei der Nürnberger Spielzeugfirma SIMM Spielwaren GmbH, Utomos erste Berufsstation.

Nach acht Jahren im Angestelltenverhältnis: Jetzt geht es in die Selbstständigkeit

„Das war eine tolle Zeit, bei Simm habe ich als Designer sehr viele Freiräume genossen. Das war für beide Seiten vorteilhaft. Aber nach acht Jahren hatte ich alles bewirkt, was mir vorschwebte und zunehmend dachte ich über meine Selbständigkeit nach“, und Utomo zählt auf: „Ich hatte sehr gute Kontakte, es gab bereits etliche Anfragen und ich machte mir kaum Sorgen, dass dies misslingen könnte.“ Und wieder half ein Wettbewerb weiter: „Die Auszeichnung ‚Kultur- und Kreativpiloten Deutschland‘ wird einmal im Jahr an Gründer und Gründerteams vergeben, die mit innovativen Geschäftsideen und Unternehmen, die Zukunft der Wirtschaft und unserer Gesellschaft mitgestalten“, heißt es in der Ausschreibung des Bundeswirtschaftsministeriums.

Utomo, der Kreativpilot

Unter 600 Unternehmen Bewerbern konnte Markus Utomo sich mit seinem „Fluxmodifiktator“ durchsetzen. Er war 2016 einer von 30 Preisträgern, die sich nun „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ nennen durften. Bereits für diese Bewerbung setzte Utomo einen 3D-Drucker ein: Mit dem „Fluxmodifikator“ kann ein vorgegebenes Spielzeug-Design auf einfache, intuitive Weise innerhalb weniger Minuten verändert werden. Bei Utomo handelte es sich um ein Spielzeugauto, dessen Eigenschaften und Design nun auch in der Hand des Spielenden lagen. „So ein ‚Stempel der Bundesregierung‘ mit Verleihung in Berlin, das ist natürlich ein erstklassiger Start in die Selbständigkeit“, erinnert sich Utomo. Bis heute profitiert er von Coachings (die es statt eines Preisgeldes gab) und dem Netzwerk unternehmerisch aktiver Kreativer, das er so erworben hat.

„Die Idee Kulturgut Spiel hat die abschätzige Einschätzung des Kinderkrams abgelöst“

Privat, als spielender Mensch, war Utomo stets bereit, sich in die Faszination eines komplexen Brettspiels zu begeben. Auch als Zocker an der Konsole hat er leidenschaftliche Zeiten verbracht. Inzwischen ist es das Familienleben mit zwei Kindern, vier und zehn Jahre alt, das seine Freizeit bestimmt. Doch den Blick auf die Spielebranche haben die Jahre geschärft: „Der Wert des Spielens wird heute ganz anders eingeordnet. Früher war das ewig nur etwas für Kinder, heute ist es durchgedrungen, dass das Spielen an sich bedeutsam ist, dass man spielend als Person dazugewinnt, lernt und das alles, während man Spaß hat. Die Vorstellung vom Kulturgut Spiel hat die abfällige Einschätzung als Kinderkram abgelöst.“ Was ihn nicht hindert, leidenschaftlich mit (seinen) Kindern zu spielen und sich auch da als Bastler einzubringen, neue Spielformen zu entwickeln und sie in die Realität umzusetzen. 

Utomos Spezialität: Ungewöhnliche Spielideen

Markus Utomo bedient einen von etlichen 3D-Druckern, mit denen er mal Prototypen, mal ganze Serien von Spielzeugen produziert. © Budig

Das ist im Grunde auch der Kern seiner Selbständigkeit. Von Beginn hatte er den Endkunden im Blick, doch sein Geschäft, seine Freiberuflerstrategie, beruhte auf dem „Verkauf von Ideen“. Zwar hat Utomo auch drei Brettspiele für Kinder erfunden die er in Eigenregie Verlagen vorstellte, doch mit übersichtlichem wirtschaftlichem Erfolg. Der betriebswirtschaftliche Mehrwert von „Spieledesign Utomo“ beruht auf ungewöhnlichen Spielideen, auf seiner in Jahren gewachsenen Expertise beim 3D-Drucken, im Webdesign und zunehmend im unterstützenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz – die ungewöhnlich intensive Verbindung von Kreativität und Technik, durchdacht bis ins letzte Detail: „Ich hab‘ im kreativen Prozess immer die Serienproduktion im Blick.“

Spielideen im Höhenflug

So kam es zum schönen Auftrag, Spiele für Lufthansa-Reisende zu entwickeln. Da der Kunde jährlich neue Ideen und Spiele verlangt, ist dies auch eine gute Geschäftsgrundlage. Die Spiele sind ganz auf den Bedarf zugeschnitten, jedes ist individuell und man kann sie nirgends kaufen: „Die Verpackung dient bereits als Spielfeld, das genau so groß ist, dass es auf den Klapptisch vom Vordersitz passt. Auch für Hotels hat er eigenes Spielmaterial für kleine Gäste entwickelt.

Die Mona Lisa des Spielzeugmuseums

Original der Kruseler Fundpuppe aus dem Spielzeugmuseum und Drei-D-Repliken von Markus Utomo. Fotos: Spielzeugmuseum Nürnberg / Budig

Ein weiterer Kunde für Utomos kreativen Output ist das Spielzeugmuseum Nürnberg. Zunächst brachte er seine Fähigkeiten bei der Ausstellunggestaltung ein. Zum 50. Geburtstag im Jahr 2021 hat man sich dann etwas Besonderes einfallen lassen: Zu den wertvollen Exponaten des Hauses zählt die sogenannte „Kruseler-Puppe“, „die Mona Lisa des Spielzeugmuseums“, wie es in einer Presserklärung heißt. Es handelt sich um eine Spielzeugpuppe aus Ton aus dem 14. Jahrhundert. Sie trägt ein Alltagskleid und eine sogenannte Kruselerhaube – damals die neueste Mode. Gefunden wurde sie 1856 bei Straßenbauarbeiten in Nürnberg. Zum Geburtstag hat der Designer die historische Puppe dreidimensional gescannt und aus nachhaltigem Holzmisch-Stoff im 3D-Drucker neu hergestellt. „Fehler“ – abgebrochene Tonteile des historischen Originals, wurden ergänzt – das Exponat wird im Museumsshop als besonderes Highlight für 29,90 Euro verkauft und findet erfreulichen Absatz.

Gefragter Experte für Chancen und Gefahren der KI

Inzwischen ist Utomo zunehmend als Speaker, als Experte für KI und ganzheitliche Designprozesse gefragt. Das komplexe Wissen, das in Verbindung mit seinen Aufträgen autodidaktisch gewachsen ist, sein Verständnis entlang der gesamten Produktionskette von Spielen und der professionelle Blick beim Markenaufbau machen ihn zu einem einzigartigen Designentwickler. Dazu kommt, dass er in der Szene perfekt vernetzt ist. „Ich hab natürlich Glück mit meinem Standort, der Spielzeugstadt Nürnberg. Dazu liefert mir einmal im Jahr die Spielwarenmesse die ganze Branche frei Haus, direkt vor die Haustür. Ich kann jeden Messetag X-Termine mit Kunden machen und dazu noch Neuheiten scannen.“ Bei der nun ins Haus stehenden Spielwarenmesse wird er im Toy Business Forum als Referent zum Thema „KI in der Spielzeugbranche“ auftreten und dabei auch auf eine Nürnberger Errungenschaft verweisen: Empamos – eine KI entwickelt an der Ohm (TH Nuernberg). Professor Thomas Voit und sein Team trainierte die KI mit tausenden von Spielregeln und kann damit nun die Spielqualität messen. Utomo ist inzwischen zertifizierter Nutzer der Empamos KI (certified designer for gameful motivation).

Erfolgreicher Freiberufler

Aus dem Abiturienten, der immer Kinderarzt werden wollte, ist ein erfolgreicher Freiberufler mit eigenem Designstudio geworden. Denn schon während seines Zivildienstes im Kindergarten begann er für „seine Kids“, die immer Neues wollten, Spiele zu erfinden. So wurde er zum Wegbereiter, der das immer mehr gefragte lebenslange Spielen mit immer neuen Ideen zu versehen weiß.

Markus Utomo live auf der Spielwarenmesse 2024

Erfahren Sie aus erster Hand, wie sich das Zusammenspiel zwischen Künstlicher Intelligenz und Spielzeugdesign entwickelt: “Von der Idee zum Produkt: Wie KI das Design von Spielen und Spielzeugen verändert” ein. Der Vortrag findet am Samstag, den 03.02.2024 um 15:25 – 15:55 Uhr im Toy Business Forum in Halle 3A auf der Spielwarenmesse 2024 statt.

Im Anschluss an den Vortrag steht Markus Utomo Ihnen für Fragen und Antworten zur Verfügung.

Das komplette Wissensangebot des Toy Business Forums finden Sie im Programm.

Über den Autor

Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.

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