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Azubi-Recruiting im Spielwarenhandel

Von Sibylle Dorndorf

Angesichts eines zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangels baut der Einzelhandel seine Aktivitäten zur Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeitenden um 51 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren aus. Diese beeindruckende Zahl ist Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Handelsverbands Deutschland, HDE. Schon vor Corona hatten Unternehmen im Handel Probleme, Auszubildende zu finden. Nun hat sich die Situation noch einmal drastisch verschlechtert. Christian Krömer kann das nur bestätigen. Der geschäftsführende Gesellschafter und Betreiber von insgesamt 19 „liebevollen Spielwarengeschäften“, so das vielversprechende Etikett, führt die Geschäfte zusammen mit seinem Vater Hans-Jürgen Krömer sowie Bruder Daniel: „2016/2017 haben wir insgesamt 12 junge Menschen in unseren Geschäften ausgebildet, aktuell sind es gerade mal fünf“, so Christian Krömer. „Eine Kauffrau im E-Commerce und vier Einzelhandelskaufleute.“

Wer Auszubildende will, sucht proaktiv

Christian Krömer hätte gern mehr Jugendlichen die Chance gegeben. „Leider muss man sagen, dass sowohl die Qualität der Bewerber zu wünschen übrig lässt, als auch die Quantität der Bewerbungen“, bedauert er. „Wir hätten gerne zehn Azubis eingestellt, so der Unternehmer, der sich bei der IHK als Vorsitzender der Regionalausschüsse im Raum Neuburg-Schrobenhausen engagiert. Mit diesem Problem ist er nicht allein. Der Handel hat extreme Nachwuchsprobleme sowohl im Verkauf als auch in den kaufmännischen Bereichen. Konnte man früher aus einem Stapel an Bewerbungen auswählen, muss man sich heute proaktiv auf die Suche machen.

Was eine Ausbildung attraktiv macht

Ein Paradies für Kinder – auch für Auszubildende? Warum Spielwaren verkaufen Spaß macht

So mancher Geschäftsinhaber stellt sich die Frage: Was macht mich als Arbeitgeber attraktiv für junge Menschen? Da wäre einmal die berühmte „Work-Life-Balance“ zu nennen, auch flexible Arbeitszeitmodelle ziehen, ebenso gute Verdienstperspektiven und natürlich sollte ein Beruf generell faszinieren und Zukunft haben. Die Konkurrenz schläft nicht: Offenbar machen sich

begehrliche Marken gut in den Lebensläufen: Bei den Autobauern Audi und BMW sieht es an der Ausbildungsfront erheblich entspannter aus als im Spielwarenhandel. Und dann gibt es da noch die Eltern, die ihre Kinder, koste es, was es wolle, aufs Gymnasium zwingen. Sie „sollen es einmal besser haben“.

Abitur als Garant des sozialen Aufstiegs

Das ist kurzsichtig gedacht. Eine Gesellschaft, in der selbst Erzieher und Optiker heute Uni-Abschlüsse brauchen, ist nicht automatisch eine Gesellschaft, in der das Ziel „Bildung für alle“ umgesetzt wird. Die Akademikerquote lag Mitte der 1970er-Jahre, bei weniger als 20 Prozent. Heute sind es mehr als 50 Prozent. Fast 70 Prozent der Eltern wünscht, dass ihre Kinder Abitur machen. Für viele ist das auch heute noch die Eintrittskarte in eine bessere Zukunft. Angesichts dieses Akademisierungswahns – 2021 gab es mehr als doppelt so viele Studentinnen und Studenten wie Auszubildende – müssen Christian Krömer und seine Handelskollegen alle Hebel in Bewegung setzen, um geeigneten Nachwuchs zu finden.

Ausbildungs-Abbruchrate im Verkauf geringer als im Büro

Handel kommt von handeln. Christian Krömer wirbt aktiv für Auszubildende in seinen Filialen

„Wir schicken Azubi-Scouts der IHK in die Schulen, gehen auf Ausbildungsmessen, laden junge Leute zum Probearbeiten ein und stellen unser Angebot an Ausbildungsplätzen auch auf den Social Media Kanälen ein“, so der Unternehmer. Allgemein ziehe der Bereich E-Commerce mehr als die Ausbildung zu Einzelhandelskauffrau oder -kaufmann. Auf die Ausschreibung des Ausbildungsplatzes zum E-Commerce Kaufmann hätten 20 Bewerbungen vorgelegen, für den Einzelhandelskaufmann nur zwei, so Krömer. Bianca Leiprecht, bei der Spielwaren Krömer GmbH & Co. KG zuständig für E-Commerce und Einkauf, bestätigt diesen Trend: „Fast alles, was die heutige Jugend konsumiert, ist mit Technik, Online und Internet verbunden. Das Interesse für diese Bereiche ist viel ausgeprägter.“ Warum dann Azubis im Büro eher abbrechen als im Verkauf wissen beide nicht zu beantworten. Vielleicht spielt da doch der berühmte Funke, der nur im direkten Umgang mit Produkten und Kunden, vor allem Kindern, überspringt, eine Rolle? Das macht Hoffnung.

Gute Verkäufer – nie waren sie so wichtig wie heute

Der Beruf des Verkäufers hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Heute ist es Grundvoraussetzung, dass Verkäufer Sortimentskompetenz nachweisen, sich mit jedem einzelnen Produkt gut auskennen, denn Kunden kommen vorinformiert in die Geschäfte. In der Kommunikation sollten Verkäufer selbstbewusst und zugewandt sein. Selbst dann, wenn der Kunde mit seinem Smartphone in der Hand versucht zu handeln. Da heißt es souverän bleiben. „Der stationäre Handel hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Online-Business – die individuelle, gute und ehrliche Beratung“, davon ist Christian Krömer überzeugt. Er betreibt seine Geschäfte on- und offline und weiß: Beratung kann das Internet nicht leisten. Dieser Joker sollte seiner Meinung nach noch deutlicher ausgespielt werden. Aus diesem Grund sei es überlebenswichtig für Unternehmer im Handel, in gute Mitarbeiter zu investieren. Diese beispielsweise auf Messen zu schicken und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Krömer-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben regelmäßig die Chance, sich als Ausbilder zu qualifizieren. „Ich selbst kann das nicht mehr leisten, denn ein guter Ausbilder muss vor Ort sein, muss ständig im Kontakt mit den Auszubildenden bleiben“, so Krömer. Er hat sich mit Monika, Peter und Christian Wiedemann zusammengetan, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Ausbildern coachen zu lassen. Die Parfümeriekette Wiedemann mit 16 Filialen im südlichen Oberbayern – sechs davon im Münchner Stadtgebiet – gehört zu den besten Adressen im deutschen Parfümerieeinzelhandel. Die Strukturen und die Unternehmensphilosophie der beiden Familienbetriebe sind ähnlich.

Ausbilder als Mentoren für Azubis

Azubi Johannes Brunner packt den Stier bei den Hörnern: Sein Traum war es schon immer, Spielwaren zu verkaufen

 Kloster Benediktbeuern läuft en bloc die einwöchige Prüfungsvorbereitung für den Ausbilderschein, die beiden Unternehmen teilen sich die nicht unerheblichen Kosten. Pro Mitarbeiter kommen inklusive Entlohnung für den Ausbildercoach, Prüfungsgebühren et cetera um die 2.000 Euro zusammen, die die Unternehmen gern investieren. Die angehenden Ausbilder nehmen viel mit. Eine zusätzliche Qualifikation sowie eine Prämie, die zum Gehalt bezahlt wird, aber, das bestätigt Sabine Kesting, Ausbilderin bei Krömer Pfaffenhofen, vor allem das Gefühl, im Unternehmen eine wichtige Aufgabe zu bekleiden. „Ich habe den Ausbilderschein vor allem gemacht, damit wir uns selbst geeigneten und qualifizierten Nachwuchs heranziehen können.“ Sie hatte zunächst Zweifel, weil sie nicht mehr zu den jüngeren Jahrgängen gehört. Aber mit ihrem ersten Auszubildenden habe sie großes Glück: „Johannes Brunner ist redegewandt, er kann gut mit Menschen umgehen, ist gepflegt und vor allem ist er motiviert.“ Dass es oftmals an Letzterem fehlt, bestätigen viele Unternehmer im Handel – und auch Johannes Brunner, Azubi im ersten Lehrjahr bei Spielwaren Krömer in Pfaffenhofen: „Nur wenige meiner Altersgenossen wollen in den Verkauf, sie möchten lieber ins Büro oder etwas Technisches machen“, berichtet er.

Lust auf Umgang mit Menschen und Spielwaren

Johannes Brunner hingegen wusste schon frühzeitig, dass er mit Menschen umgehen möchte. „Ich habe schon als Kind Verkaufen gespielt. Bei Aldi an der Kasse sitzen wäre der Horror für mich. Ich möchte mit Menschen und mit Ware umgehen.“ Mit diesem Wunsch macht Brunner bei Spielwaren Krömer eine Punktlandung. „Ich baue selbst ab und zu noch Lego Modelle.“ Natürlich sei es eine Herausforderung, alles auf dem Schirm zu haben, was im Regal zu finden ist, aber: „Die Produkte sind einfach spannend, es gibt immer etwas Neues, man hat eine große Bandbreite und unglaublich viele Möglichkeiten, zu beraten und Empfehlungen auszusprechen.“ Ob denn die Kunden schon vorinformiert ins Geschäft kämen? Das ist laut Johannes Brunner eine Generationenfrage: „Ältere Menschen möchten gerne beraten werden, sie kennen viele Produkte nicht und sind dann unsicher, das Richtige zu kaufen. Jüngere wissen meist genau, was sie wollen.“ Und Kinder sowieso. Die kämen meist mit ihren Eltern, um ihr Geburtstags- oder Taschengeld anzulegen. Eines merken sowohl Sabine Kesting als auch Johannes Brunner an. Die Beratungsleistung sei umfangreicher geworden, die Produkte komplexer, die Kunden kritischer. Bliebe zu ergänzen: Und die Industrie anspruchsvoller.

Spannungsfeld Industrie – Handel

(Wenn die Arbeitsatmosphäre stimmt, fällt das Lächeln leicht: Azubi Leonie Scholz erfüllt am liebsten Kinderträume)

Der Handel ist der letzte in der Nahrungskette. Sind die Abverkäufe schlechter als erwartet, werden in schöner Reihenfolge die Präsentation, das Engagement und die Beratungsleistung in Frage gestellt. Der Handel habe das Produkt einfach „nicht verstanden“ wird ebenfalls gerne (an)genommen. Das ohnehin fragile Verhältnis zwischen Industrie und Handel ist in Zeiten der Kaufzurückhaltung deutlich aufgeladen. Das B2C-Geschäft tut ein Übriges. Mittlerweile stellen nicht nur die „Big Five“ hohe Anforderungen an den Handel – und machen das Geschäft dann oftmals selbst. Da ist eine angespannte Personalsituation das Letzte, was man als Händler braucht. Gefragt sind vielmehr gut ausgebildete, engagierte Mitarbeiter. Nicole Teichmann, Ausbilderin bei Spielwaren Krömer in Landsberg, bedauert das schlechte Image des Berufsbildes: „Oft hört man: du bist ja nur Verkäuferin. Das ist sehr schade, wird sich aber wohl so schnell nicht ändern.“ Gefragt, was denn bei den Azubis ziehen könnte, findet sie klare Worte: „Es ist wichtig, den Azubis ein angemessenes Gehalt zu geben und auf jeden Fall Möglichkeiten zur Weiterbildung nach der Ausbildung anzubieten. Auch Aufstiegsmöglichkeiten motivieren, zum Beispiel in unserem konkreten Fall die Möglichkeit, später als Filialleitung eines Geschäfts tätig zu sein.“ Und das Unternehmen muss passen, muss attraktiv sein. Spielwaren Krömer ist eine bekannte Größe, die Filialen liegen in den begehrtesten Lagen Oberbayerns. Das bedeutet viel Tourismus und eine hohe Kaufkraft. Da macht es Spaß zu verkaufen. Auch Leonie Scholz. Die Auszubildende findet es schön, dass sie später als Einzelhandelskauffrau auch in anderen Bereichen tätig werden kann. Und wie Johannes Brunner hat auch Leonie Scholz gerne mit Menschen, vor allem mit Kindern zu tun. Die junge Frau überzeugte auch das gute Arbeitsklima, die Teamarbeit und der respektvolle und gute Umgangston. "Das findet man nicht überall als Auszubildende“, weiß Leonie Scholz. Da engagiert man sich gerne und wächst mit seinen Aufgaben: Bei Krömer ist die Beratungsleistung hoch. Artikel, die nicht vorrätig sind, werden zeitnah beschafft, die Filialen helfen sich hier untereinander aus. Geschenke werden selbstverständlich liebevoll verpackt.

Kein Tag ist wie der andere

Die Arbeit ist abwechslungsreich. „Bei uns ist kein Tag wie der andere", bestätigt Sandra Machka, Ausbilderin bei Krömer in der Filiale Bad Tölz. „Wir veranstalten Spielenachmittage und wecken so das Interesse für Familien- und Gesellschaftsspiele. Wir machen Infoveranstaltungen in Schulen, um junge Menschen für eine Ausbildung bei uns zu interessieren.“ Spielwaren Krömer bietet auch Praktika an. Erst mal unverbindlich reinschnuppern in einen möglichen Beruf, das hat auch Azubi Christina Zigelski gefallen: „Ich habe bei Spielwaren Krömer in Bad Tölz ein Praktikum gemacht. Da war sofort klar, hier möchte ich meine Ausbildung machen. Es macht einfach Spaß, immer wieder neue Ware vorgestellt zu bekommen und sie für die Kunden schön zu präsentieren.“ Vor allem in einem Punkt sind sich alle Auszubildenden einig: „Am schönsten ist es zu sehen, wie sehr sich die Kinder über ihre neuen Spielwaren freuen.“

Fazit: Es lohnt sich, als Unternehmer im Handel in Azubi-Akquise zu investieren. Denn: Gibt es einen schöneren Beruf als täglich Menschen Wünsche zu erfüllen? Definitiv nein. Wenn die Unternehmen der Spielwarenbranche es schaffen, diese Botschaft mit Leben zu füllen, sprich, sie glaubwürdig in der adäquaten Zielansprache und auf allen Kanälen zu vermitteln, dürften sich die Nachwuchsprobleme in Bälde erledigen.

Bewirb Dich für eine Ausbildung im Handel

Über vielfältigen Ausbildungs- und Karrierechancen im Handel informiert der Handelsverband Deutschland unter www.karriere-handel.de

Oder erkundige Dich im nächsten Spielwarenhandel in Deiner Nähe.

5 Tipps fürs Azubi-Recruting

  • Dekorieren Sie mit originelle „Wanted“-Poster ihr Schaufenster
  • Schickten Sie Azubi-Scouts in Schulen
  • Präsentieren Sie sich auf Social Media als attraktiver Arbeitgeber
  • Bewerben Sie freie Stellen auf Ausbildungsmessen
  • Lassen Sie Produkte auf Instagram für sich sprechen

Über die Autorin:

Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehme, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft.

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