Eine Pionierin erobert den chinesischen Spielemarkt

Paradigmenwechsel: Tianshu Schüler-Yang exportiert hochwertige Familienspiele nach China

Von Peter Budig

China ist mutmaßlich der größte Hersteller von Spielzeug und Bestandteilen von Brettspielen für den europäischen Markt. Als Markt für hochwertige Brettspiele, besonders im Kinder- und Familienbereich, ist es bisher fast gar nicht in Erscheinung getreten. Doch seit 2018 schickt sich die chinesische Unternehmerin Tianshu Schüler-Yang an, dies zu verändern. Die Erfolge sind beachtlich.

„Ich begann“, erinnert sie sich, „2018 einen Blog für chinesische Familien zu schreiben. Ich wollte Überzeugungsarbeit leisten: Dass es vergnüglich ist, in der Familie mit den Kindern zu spielen. Dass es außerdem Sinn macht, das soziale Lernen fördert. Kinder erwerben Frustrationstoleranz, sie lernen, dass es, auch wenn man nicht immer gewinnt, gleich wieder weiter geht, dass man besser werden, sich Chancen erarbeiten kann und Spaß dabei hat.“ In ihrem Blog auf „WeChat“, der meist genutzten Social Media-Plattform in China, hat sie seitdem 315 Artikel geschrieben, die alle mit Spielen zu tun haben (Foto: Blog auf WeChat Plattform).

Promoterin der Spielfreude

Brettspiele für Kinder haben heutzutage in China nur die Funktion des Lernens – so erinnert sich Schüler-Yang. Für die Kinder ist es nur eine weitere Art, Leistung erbringen zu müssen. Das Vergnügliche und das soziale Element lernte die 38-jährige gemeinsam mit ihrer heute 12-jährigen Tochter erst in Deutschland kennen: „Überall in Deutschland gab es Spiele, extra für Kinder. Im Kindergarten, in der Arztpraxis, bei den Familien. Und wir entdeckten, wie schön diese Spiele sind, wieviel Spaß es machte, auch wenn ich heute gegen meine „große“ Tochter praktisch immer verliere“, erinnert sie sich und bricht in ihr ansteckendes Lachen aus.

Die Selbstständigkeit gab ihr die Familie mit auf den Weg

Für eine Unternehmensgründung ist die Betriebswirtin bestens vorbereitet. Sie stammt aus der Provinz Zhejang im Südosten Chinas, aus dem Landesinneren. Dort wuchs sie in einem Unternehmerhaushalt auf, der Vater produzierte Türen. Und es war eine, für chinesische Verhältnisse, kinderreiche Familie, mit zwei Geschwistern. „Nach dem Schulabschluss mit 18 Jahren wollte ich nach Peking, um internationale Wirtschaft zu studieren, auf einer sehr angesehenen Universität. Mein Vater, der uns alle immer unterstützt hat, forschte nach und entdeckte einen Studiengang in Verbindung mit deutscher Sprache. Der sah vor, vier Jahre Studium in China, drei Jahre Diplomstudium in Potsdam zu absolvieren. Das hat mich sofort überzeugt“, erinnert sie sich. Ein Praktikum während des Studiums in Deutschland bei VW im Bereich „Vertriebssteuerung“ führte später zu einer Festanstellung in der Automobilbranche. Die zielstrebige Arbeitsweise, die Muttersprache chinesisch verbunden mit sehr guten Deutschkenntnissen, die kulturelle Vielseitigkeit machten sie zu einer wertvollen Mitarbeiterin.

Wunsch nach neuen Herausforderungen nach Familiengründung

Firmenlogo „xuleyuan“

In diesen Jahren hatte Frau Yang Herrn Schüler kennengelernt und eine Familie gegründet, sie leben in der Nähe von Braunschweig und die Familie ist inzwischen um zwei Kinder gewachsen. „Nun war mir klar, dass ich in Deutschland leben würde. Die Kinder hier in Deutschland haben viel weniger Stress in ihrer Kindheit.“ Doch nach der zweiten Elternzeit mit ihrem Sohn, meldete sich die unternehmerische Unruhe in ihr: „Ich bin nicht geeignet, 35 Jahre im gleichen Büro zu sitzen. Ich bin jemand, der die Herausforderung sucht – das liegt mir im Blut“, stellt sie fest.

In China vollzieht sich ein Wandel bei jungen Familien

Während Schüler-Yang mit den Kindern die Welt der Spiele entdeckte, registrierte sie, dass sich in China ein Wandel vollzog. „Die Generation unserer Eltern hat nur gearbeitet, die Kinder wurden zur Leistung erzogen. Junge, gut ausgebildete chinesische Familien heute entdecken auch die Freuden des Familienlebens.“ Doch Spiele für Familien gab der chinesische Markt lange nicht her und sie begann sich systematischer mit deutschen und anderen europäischen Verlagen und ihren Produkten auf diesem Kinder- und Familiensektor zu beschäftigen.

Ein Nischenmarkt mit Wachstumsplänen

90 Prozent des Handels läuft Online, und sie besitzt in Nord- und Südchina jeweils Lagerstätten. Insgesamt arbeiten noch drei weitere Kolleginnen mit ihr zusammen, die alle selbst Mütter sind und gerne mit ihren Kindern Brettspiele spielen: „Corona hat uns sehr geholfen, so gut war der Umsatz danach nicht mehr. In China geht die Wirtschaft zurück. Alles läuft gerade etwas langsamer“, schätzt sie die Situation ein. „Doch wir versuchen gegen den Wind zu segeln“, mit hochwertigen Spielen mit einfachen klaren Regeln und einer anspruchsvollen Ausarbeitung, „denn Kinder sollen früh ein Gespür für Ästhetik bekommen.“ Die Zukunft plant sie Schritt für Schritt: „Noch sind wir ein kleiner Nischenmarkt“, schätzt sie. „Doch im kommenden Jahr wollen wir bereits eigene Spiele für diesen Markt bei Autoren beauftragen.“ Tianshu Schüler-Yang ist schon heute die Pionierin für europäische Kinder- und Familienspiele in China.

Über den Autor

Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.

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