Volldampf voraus!

Weihnachtszeit ist Modellbahnzeit

Dieses Spur N-Modul der Eisenbahnfreunde Vaterstetten wurde von einem Mädchen gestaltet. (Foto: Pernsteiner)

Von Peter Pernsteiner

Die kühlen Temperaturen und langen Abende der Wintermonate verlagern so manche Freizeitaktivitäten in die eigenen vier Wände. Kein Wunder, dass das Kreativ- und Technik-Hobby in dieser Zeit rund um den Tag der Modelleisenbahn wieder in den Vordergrund rückt. Und bei den Eisenbahnfreunden Vaterstetten sind die Jugendlichen mit Volldampf dabei. So sind rund 50 Prozent der 80 Clubmitglieder Teenager oder noch jünger. Das liegt vor allem daran, dass hier die „Alten“ keine Lehrmeister spielen, sondern der Kreativität ihrer jungen Mitglieder freien Lauf lassen. Sie dürfen nach ihrer eigenen Fantasie Eisenbahnbahnmodule im Maßstab 1:160 (Spur N) entwerfen und auch bauen. Thema ist beispielsweise ein Campingplatz, ein THW-Stützpunkt, ein Zirkus oder ein Zoo. Andere bauen einen Bahnhof, ein Dorf, eine Fabrik oder eine Kleinstadt. Die einzige verbindliche Vorgabe für die 100 Zentimeter breiten und 50 Zentimeter tiefen Module: an beiden seitlichen Enden müssen exakt auf gleicher Höhe zwei Gleise sein, um die Module endlos miteinander verketten zu können. „Hierfür ist bei Kindern im Alter von acht bis zwölf Jahren selbstverständlich noch Hilfe von uns Senioren erforderlich“, berichet Vereinsvorstand Ernst Stegmeier, „aber bei Ausformung der Landschaft, Begrünung, Montage der Gebäudebausätze und Belebung der kleinen Dioramen mit Figuren und Autos entwickeln viele erfreulicher Weise sehr schnell ein großes Geschick.“

Im YouTube-Video stellt Peter Pernsteiner die Modulwelt der Eisenbahnfreunde Vaterstetten vor.

Tag der Modelleisenbahn

Zur Belebung des Hobbys Modellbahn hat sich in den letzten Jahren ein Quasi-Feiertag etabliert - der 2. Dezember als „Tag der Modelleisenbahn“. Ins Leben gerufen wurde der Aktionstag im Jahr 2015 von der TV Sendereihe Eisenbahn-Romantik sowie vom Verband der Modelleisenbahner und Eisenbahnfreunde Europas MOROP gemeinsam mit weiteren Verbänden. Ende November starten deshalb viele Fachhändler mit Aktionen rund um die Modelleisenbahn und so manche Vereine laden zu entsprechenden Ausstellungen. In diesem Jahr gibt es sogar direkt am 2. Dezember einen Tag der offenen Tür beim Zubehörhersteller Viessmann Modelltechnik und eine Hausmesse beim Großspur-Hersteller KM1 Modellbau.

H0-Sonderwagen von Märklin zum Tag der Modelleisenbahn 2023 (Foto: Märklin)

Passend zum Feiertag hat Märklin auch dieses Jahr wieder ein neues Sondermodell mit entsprechender Bedruckung aufgelegt. Der 11,5 Zentimeter lange Kühlwagen im H0-Maßstab 1:87 zeigt auf einer der Seitenwände den Schweizer RhB-Triebwagenzug Capricorn bei seiner spektakulären Weltrekord-Fahrt am 29. Oktober 2022. Die Rhätische Bahn hat an jenem Tag beim Schweizer Albulatunnel den längsten Reisezug der Welt zusammengestellt und fahren lassen. Er bestand aus 25 modernen vierteiligen Triebwagen-Zugeinheiten und hatte eine Gesamtlänge von 1906 Metern.

Vermehrt moderne Fahrzeuge

Mehr als drei Meter lang ist der vierteilige Gartenbahn-Triebzug Capricorn von LGB (Foto: LGB/Märklin)

Dieser Rekordzug und 31 weitere vierteilige Einheiten wurden von der Firma Stadler Rail ab 2019 an die RhB ausgeliefert. Er könnte jetzt auch im Maßstab 1:22,5 als Erwachsenenspielzeug realistisch auf Gartenbahn-Anlagen in Szene gesetzt werden. Märklin hat hierzu unter der Marke LGB eine zweiteilige Triebzugeinheit mit 153 cm Länge, elektrisch hebbaren Stromabnehmern, Inneneinrichtung und vielen Sounds produziert. Dazu passend gibt es auch die beiden dazugehörigen jeweils 77 cm langen Mittelwagen. Insgesamt ist so eine Zugeinheit mehr als drei Meter lang. Bei einem Listenpreis von 3197 Euro wird aber vermutlich kein Modellbahner auf die Idee kommen, sich 25 dieser Zugeinheiten zu kaufen, um die Weltrekord-Fahrt nachzustellen.

In dieser Fotomontage sind drei Wagen der neuen siebenteiligen Nightjet-Garnitur zu sehen (Foto: ROCO)

Auch andere Hersteller entwickeln inzwischen verstärkt moderne Fahrzeuge, um junge Modellbahner oder Junggebliebene zu adressieren. So hat ROCO schon seit geraumer Zeit Railjet-Züge im Sortiment, die auf unzähligen Anlagen zum Einsatz kommen. Anfang des Jahres wurde die Entwicklung von Fernverkehrs-Doppelstockzügen der Schweizerischen Bundesbahnen SBB in H0 (1:87) angekündigt die zunächst als vierteilige und achtteilige Interregiozüge produziert werden sollen. Noch futuristischer ist das Design der Österreichischen Nightjet-Züge, deren Entwicklung gerade von Siemens Mobility für die ÖBB abgeschlossen wurde. ROCO will jetzt ein entsprechendes siebenteiliges Wagenset im H0-Maßstab 1:87 realisieren, das sicher auf vielen modernen Anlagen gut ankommen könnte. Als Termin für die Markteinführung des 214 Zentimeter langen ÖBB-Nightjet-Wagensets wurde Ende 2024 genannt.

Faszinierend realistisch im Maßstab 1:32

Führerstand der Siemens-E-Lok Vectron von KM1 (Foto: KM1 Modellbau)

Bei einem Blick in den Führerstand des neuen Spur 1-Handmusters der modernen Siemens-E-Lok Vectron von KM1 könnte man fast meinen, dass es sich um eine echte Lok handelt. Auch der Maschinenraum wurde bei diesem Modell verblüffend detailliert nachgebildet. Dabei ist die rund 7,5 Kilogramm schwere Lok aus Zinkdruckguss und vielen angesetzten Messingfeinguss-Teilen gerade mal knapp 60 Zentimeter lang. Sie soll im Frühjahr 2024 in 15 Varianten zur Auslieferung kommen und entspricht Vorbild-Betriebzuständen der Jahre 2013 bis 2019. Je nach Variante hat das Modell zwei oder vier elektrisch hebbare Stromabnehmer.

Bei der Spur 1-Dampflok 02 0314-1 von Märklin wird auch der Zylinderdampf realistisch nachgebildet. (Foto: Pernsteiner)

Nicht nur moderne Spur 1-Lokomotiven überzeugen durch Detailreichtum, voluminösen Sound und raffinierten motorisiert nachgebildeten Funktionen. So hat das seit Sommer lieferbare Märklin-Modell der Dampflok 02 0314-1 erstmals einen Lokführer, der sich bewegt. Kurz vor der Anfahrt sorgt ein versteckter Servomotor dafür, dass sich die Figur nach neigt und wie beim Vorbild den Steuerungshebel betätigt. Gleichzeitig bewegt ein weiterer Servo das filigrane Steuerungsgestänge an den vorderen Triebrädern der Lok. Zudem hat das 739 Millimeter lange und 8,7 Kilogramm schwere Modell einen Dreifach-Rauchentwickler, der unabhängig voneinander den Dampfausstoß im Schornstein, in den Zylindern und bei der Dampfpfeife sehr realistisch nachbildet.

Im YouTube-Video zeigt Peter Pernsteiner das Unboxing der Dampflok 02 0314-1.

Realitätsnähe auch in 1:87

Der Piko-Geschäftsführer Dr. René Wilfer am 6. September bei der Präsentation des ersten Funktionsmusters der Baureihe 03 im Deutschen Dampflokomotiv Museum in Neuenmarkt-Wirsberg. (Foto: PIKO)

Neben den ganz großen Loks werden verstärkt H0-Premiummodelle für Erwachsene mit hoher Detaillierung produziert. PIKO bereichert voraussichtlich bereits vor Weihnachten seine Produktfamilie Expert erstmals um eine Dampflok mit Schlepptender. Das 275 mm lange Modell der Baureihe 03 wiegt etwas mehr als ein halbes Kilogramm und hat nicht nur feine Speichenräder aus Metall, sondern filigrane Anbauteile, wie Glocken und Pumpen. In der etwas später kommenden Expert Plus-Variante mit Soundelektronik hat es neben radsynchronen Dampflok-Geräuschen sogar einen dementsprechend gepulsten Rauchentwickler für den Schornstein. Zudem verfügt es über eine schaltbare Beleuchtung für das Triebwerk und den Führerstand sowie über eine flackernde Feuerbüchsenbeleuchtung.

Diese Modellvariante Ae 6/6 hat ESU gemäß Zustand des Jahres 2002 in Szene gesetzt. (Foto: ESU)

Was an Technikspielereien alles in 1:87 möglich ist, beweist erneut der Modellbahnelektronik-Hersteller ESU mit einer gerade ausgelieferten H0-E-Lok gemäß Schweizer Vorbild. Die 212 Millimeter kurze Lok der Baureihe Ae 6/6 hat elektrisch hebbare Stromabnehmer, gefederte Puffer und schaltbare Beleuchtungen für den Maschinenraum, für den Führerstand und sogar für die Führerpulte. Nette weitere Gimmicks sind die Nachbildung von Bremsfunken an den Rädern beim scharfen Bremsen und das elektronisch generierte Spurkranz-Quietschen bei langsamen Kurvenfahrten. Für kräftigen Vorbild-Sound sorgen zwei Lautsprecher mit großen Schallkapseln. Zudem kann auch dieses ESU-Modell auf Basis eines ansteckbaren Schleifers und eines Schiebeschalters wahlweise auf Zweileiter-Gleisen oder auf Märklin-Dreileiter-Gleisen eingesetzt werden. Schließlich ist sogar ein Durchblick durch den detailliert nachgebildeten Maschinenraum möglich.

Diese faszinierende Bergwelt bildet die Gotthard-Nordrampe im H0-Maßstab 1:87 nach. (Foto: Pernsteiner)

Nachdem wir gerade bei einer Schweizer Lok sind - auch viele Modellbahnanlagen werden in diesem Land inszeniert. Allerdings erfordern die dortigen Berge entsprechend Platz, wenn man beispielsweise im Hobbykeller die Gotthard-Nordrampe nachbauen will. Die abgebildete H0-Anlage im Oberbayerischen Mühldorf ist in einem acht Meter langen und 2,44 Meter hohen Kellerraum entstanden. So eine Traumwelt realisiert man jedoch nicht von heute auf morgen. Der Baubeginn war bereits 1999. Seit der groben Fertigstellung im Jahr 2003 wird sie kontinuierlich verschönert und modernisiert – frei nach dem Motto: das einzig Stetige ist der Wandel. Deshalb sind auf dieser eindrucksvollen Schweiz-Anlage sowohl historische Dampfloks aus ganz Europa unterwegs als auch moderne Taurus-Loks, der ICE 4 und der TGV. Erfreulich ist schließlich, dass sich in dieser Alpenwelt nicht nur der 52jährige Inhaber entspannt, sondern auch dessen 22-jähriger Sohn.

Im YouTube-Video präsentiert Peter Pernsteiner die Details der seit 1999 erbauten H0-Modellbahnanlage.

Über den Autor:

Peter Pernsteiner, Dipl.-Ing. (Univ.) und Freier Journalist, entdeckte mitten im Elektrotechnik Studium seine Liebe zum Technik-Journalismus und landete bald danach in der Redaktion einer großen ITK-Fachzeitschrift. Seit 1994 schreibt er als Freier Journalist insbesondere über Technik-Themen – unter anderem für Magazine im Bereich Modelleisenbahn. 2016 startete er zudem einen YouTube-Kanal für Technikreportagen, der inzwischen weltweit Beachtung findet.

OPEN DAY - Ticketverkauf startet am 2. Dezember

Die Produktgruppe Modelleisenbahnen und Modellbau zeigt Produkte für Einsteiger, Profis und Sammler. Auf der Spielwarenmesse 2024 haben interessierte Endverbraucherinnen und -verbraucher am Messesamstag, 3. Februar 2024. von 10 bis 17 Uhr wieder die Möglichkeit, diese  Faszination in Halle 7A des Nürnberger Messegeländes live mitzuerleben.

Am Tag der Modelleisenbahn, den 2. Dezember 2023, beginnt der Ticketverkauf für den OPEN DAY der Spielwarenmesse.

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