Wohin geht die Reise in der Spielwarenproduktion?

Es ist schon ein bisschen her, dass Spielwarenunternehmen in Fertigungsstätten produzieren ließen, die über die ganze Welt verteilt waren. Dann trat China mit einer schier unendlichen Anzahl an fleißigen und billigen Arbeitskräften auf den Plan und stellte die weltweiten Beschaffungsmärkte auf den Kopf. Das Reich der Mitte wurde zur Werkbank der Welt. In den zurückliegenden zwei bis drei Jahrzehnten hat China enorme Produktionskapazitäten aufgebaut und Milliarden von Spielwaren für andere Länder produziert.

Der Mensch neigt dazu zu denken, dass die aktuelle Situation, wie er sie kennt, sich in Zukunft nicht ändern wird. Das ist aber mit Blick auf China gefährlich. Denn die Veränderungen, die dort vor sich gehen, haben schon jetzt Auswirkungen auf die Spielwarenbranche, und auch für das nächste Jahrzehnt stehen noch große Umwälzungen an.

Das chinesische Wirtschaftswunder

Seit den frühen 1980er Jahren hat sich China von einem armen Agrarstaat zu einer modernen Wirtschaftsmacht gemausert. Die Armut im Land hat sich deutlich verringert und mittlerweile ist die chinesische Volkswirtschaft die zweitgrößte der Welt und dürfte bald auf Platz Eins stehen.

Noch in den 1980ern gab es Zeitungsberichte aus großen chinesischen Städten, in denen arme Leute in einfacher Bauernkluft zu sehen waren, die nichts als Fahrräder zur Fortbewegung hatten. Damals waren noch keine Hochhäuser oder Anzeichen für eine Verstädterung erkennbar. Wenn man sich heutzutage chinesische Städte anschaut, dann dominieren Hochhäuser, Autos und modern angezogene und wohlhabende Menschen das Bild.

Dieser wirtschaftliche Fortschritt hat zwangsläufig dazu geführt, dass China nicht mehr über die weltweit billigsten Arbeitskräfte verfügt. In zahlreichen asiatischen Ländern sind die Lohnkosten inzwischen weitaus niedriger. Anders ausgedrückt könnte man auch sagen, dass China aufgrund der gestiegenen Lohnkosten mittlerweile lieber echte Autos statt Spielzeugautos produziert.

China steht vor großen demografischen Herausforderungen

Über die demografische Entwicklung in China ist schon viel geschrieben worden. Die Geburtenrate ist auf einen historischen Tiefststand gesunken. Gleichzeitig ist die junge Generation nicht mehr in dem Maße bereit, in die Fabrik zu gehen wie seinerzeit deren Eltern. Fehlende Arbeitskräfte sind übrigens nichts Neues in den chinesischen Spielzeugfabriken. Schon seit längerem lässt sich beobachten, dass Arbeiter zum chinesischen Neujahr nach Hause fahren und danach nicht wieder in die Fabriken zurückkehren. Mit der Zeit hat sich dieser Arbeitskräftemangel immer weiter verstärkt. Die South China Morning Post berichtet zum Beispiel: „2025 wird es so sein, dass bis zu 30 Millionen Arbeitsplätze in der Fertigung in China nicht mehr besetzt werden können. Das ist fast die Hälfte der Gesamtzahl an Jobs in diesem Bereich“. Cai Zhongpeng sagt dazu: „Die Mehrzahl der Fabrikarbeiter im ganzen Land ist zwischen 40 und 50, junge Leute sind dort selten zu sehen“.

Die Besonderheiten der Spielwarenproduktion

Warum spielen die Lohnkosten überhaupt eine so große Rolle? Könnte man nicht einfach die Arbeit in den Fabriken automatisieren? Die Antwort ist, dass Spielwaren häufig nur einen einzigen Verkaufszyklus im Markt haben. Jahr für Jahr sind 70% aller zum Verkauf stehenden Spielsachen Neuheiten. Die kurze Lebensdauer von Toys macht daher kostenintensive Investitionen in die Automatisierung unrentabel. Langfristig wird man sicherlich mit Hilfe von KI und immer besserer Robotertechnik auch in der Spielwarenproduktion menschliche Arbeitskraft ersetzen können. Und wenn es dann so weit ist, dürfte es wenig Sinn machen, Produktionsstätten zu unterhalten, die Tausende von Kilometern von den wichtigsten Märkten entfernt sind, auf denen die Produkte dann verkauft werden. Zumindest dann, wenn der Bedarf an menschlicher Arbeit in der Spielwarenherstellung vollständig entfällt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dann der Großteil der Produktion oder zumindest der Konfektionierung von Toys näher an den Schlüsselmärkten in Europa und Nordamerika stattfinden wird.

Geographische Diversifizierung beim Toy Sourcing

Ein weiterer Grund, warum die Spielwarenproduktion zunehmend aus China herausverlagert wird, ist die Angst vor geopolitischen Risiken in einer zunehmend komplexeren Welt. So wurde den Spielzeugunternehmen, die große US-amerikanische Einzelhandelsunternehmen beliefern, nahegelegt, einen signifikanten Teil ihrer Produkte außerhalb Chinas produzieren zu lassen, um geopolitische Risiken zu reduzieren. Große börsennotierte Unternehmen sourcen bereits heute rund 50% ihrer Produkte in anderen Ländern, um ihr erklärtes Ziel einer „geographischen Diversifizierung“ zu erreichen.

Die neue Ära bei der Spielwarenproduktion ist bereits eingeläutet

Aktuell sieht die Realität so aus, dass die Big Player neben China auch in anderen Ländern produzieren lassen. In Asien profitieren von dieser Entwicklung in erster Linie Vietnam, Indonesien und Indien. Für den nordamerikanischen Markt spielt zunehmend Mexiko eine wichtige Rolle. All diese Länder haben niedrige Lohnkosten und hohe Kapazitäten zu bieten. Allerdings gibt es dort nicht die eingespielten Lieferketten für Komponenten und Spezialwerkstoffe, die charakteristisch für China sind.

Hinzu kommt, dass man an diesen neuen Standorten nicht immer die Produktionsqualität und die Kommunikationsstandards vorfindet, die man aus den wie am Schnürchen laufenden chinesischen Fabriken kennt. Kurz gesagt: das Sourcing außerhalb von China erfordert mehr Zeit, führt aufgrund von Ineffizienzen bisweilen zu Frustration und bindet daher Kräfte im Managementbereich. Natürlich wäre es am einfachsten, mit unseren seit Langem etablierten und eingeführten Zulieferern weiterzuarbeiten wie bisher – aber der Weg des geringsten Widerstands ist bekanntlich nicht immer der beste.

Und wenn man sich die Fakten genauer anschaut, dann wird klar, dass ein wichtiger Trend zwar besagt, dass die Produktion von Spielwaren in China zurückgeht, dort aber nach wie vor der Großteil des weltweit produzierten Spielzeus hergestellt wird, sodass wenig für die These spricht, dass China in Zukunft keine wichtige Rolle bei der Spielzeugproduktion mehr spielen wird.

Der Wandel in den chinesischen Spielwarenfabriken 

Die geografischen Verlagerungen, die wir bei der Auftragsfertigung von Markenspielzeug sehen, führen dabei keineswegs zu einer Verringerung der Bedeutung von chinesischen Produzenten. Schließlich ist China auch der weltweit zweitgrößte Absatzmarkt für Spielwaren, und deshalb werden auch viele Produktionskapazitäten benötigt, um die lokale Nachfrage zu befriedigen. Außerdem geht der Trend weg von der reinen Lohnfertigung im Auftrag Dritter hin zu einer höheren Stufe innerhalb der Wertschöpfungskette, bei der man das gefertigte Spielzeug auch selbst vermarktet. In der Regel sind es gerade die Fabriken mit jüngerem Management, das nicht schon seit Jahrzehnten Billigware zu niedrigen Preisen produziert, wo man über die Kompetenzen verfügt, die für eine Wandlung hin zu einem exportorientierten Anbieter von Spielzeug erforderlich sind. Viele Unternehmen haben diesen Schritt schon gemacht, andere werden in noch machen und dann nicht mehr Spielwaren produzieren, die drei Euro kosten, sondern komplexere Produkte wie Autos, Flugzeuge oder andere anspruchsvolle Produkte. Andersherum bedeutet das, dass die Spielwarenbranche in den nächsten Jahren viel Expertise und Wissen verlieren wird, wenn langjährige Zulieferer in der Wertschöpfungskette nach oben klettern. Wir wechseln also von einem Modell, indem es ein Land gab, das die ganze Fertigung übernahm, zu einem Multi-Hub-Modell, in dem es zahlreiche Produktionsstandorte geben wird. Einfach wird das sicherlich nicht.

Über den Autor

Steve Reece ist seit 25 Jahren in der Spielwarenbranche tätig. Er hat früher bei Hasbro klassische Marken wie Monopoly, Play-Doh und Trivial Pursuit verantwortet. Mittlerweile berät er mit seiner eigenen Agentur Kids Brand Insight Unternehmen dazu, wie sie ihren Umsatz im Ausland steigern, robuste diversifizierte Lieferketten aufbauen und die richtigen Mitarbeiter finden können.

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