Die Zeitmaschinen aus der Streichholzschachtel

Matchbox-Autos: In 70 Jahren vom Spielzeug zum Kultobjekt

Von Peter Thomas

Die Geschichte der Matchbox-Spielzeugautos reicht 70 Jahre zurück. Erwachsene Fans begeistern sich meist für genau die Modelle, die es in ihrer Kindheit gab. Zum Teil können die Klassiker recht wertvoll sein. Deshalb raten Experten zur Vorsicht vor gut gemachten Restaurierungen.

Die erfolgreichste britische Automarke aller Zeiten? Wer jetzt an Austin oder Jaguar, an Rolls-Royce oder Rover denkt, liegt leicht daneben. Denn mit weit über drei Milliarden produzierten Fahrzeugen steht Matchbox ganz an der Spitze des Rankings. Die Geschichte der kleinen Zinkdruckgussautos begann vor 70 Jahren und sie ist reich an Höhen und Tiefen.

Heute gehört die Kultmarke von der Insel zum US-Konzern Mattel, der mit seinen Hot Wheels einst der größte Konkurrent von Matchbox war. Der Wettstreit ist längst vergessen. Heute werden besondere Matchbox-Modelle in limitierter Stückzahl über die Plattform Mattel Creations direkt an Sammler verkauft – darunter zum Beispiel eine getunte Version des Mercedes-Benz 220 SE Coupé mit zu öffnenden Türen. Das Original kam erstmals 1963 auf den Markt und trug damals die Modellnummer 53. Die Version aus dem Jahr 2021 in silberner Lackierung mit mattschwarzem Dach sowie der Nachbildung verchromter Leichtmetallfelgen ging für 25 US-Dollar über die virtuelle Ladentheke von Mattel Creations und war schnell ausverkauft.

Zeitreise auf vier Rädern in die 1970er-Jahre

Wer die originalen Spielzeugautos seiner Kindheit in sehr gutem Zustand in die Vitrine stellen will, kommt mit den eigenen Exemplaren meist nicht mehr weit. Denn diese tragen üblicherweise starke Spielspuren aus Sandkasten und Kinderzimmer: Kratzer, Schrammen, verbogene Achsen, fehlende Teile. Aber dafür gibt es ja Fachhändler wie Carsten Oettler. Dieser betreibt ein bekanntes Matchbox-Geschäft in Berlin, heute macht der weltweite Onlinehandel drei Viertel seines Geschäfts aus.

„Derzeit ist die Nachfrage nach 1970er-Jahre-Spielzeug extrem groß“, sagt Oettler. Warum nicht die ältesten Modelle aus den 1950er-Jahren begehrt sind? „Die Kunden holen sich ihre Kindheit zurück“, weiß Oettler: Die Käufer wollen zum Beispiel die nostalgische Erinnerung an ihre zehn Lieblingsautos im Bestzustand wiederbeleben – die eigenen Matchbox-Autos haben sie oft noch kaputtgespielt zu Hause im Koffer liegen.

Preise für die rund 50 Jahre alten Sammlerstücke variieren je nach Seltenheit und Ausführung. Als Durchschnittspreis für ein Standard-Serienmodell ohne Verpackung von Mitte oder Ende der 1970er-Jahre nennt Oettler rund 30 Euro. „Mit originaler Schachtel kosten sie etwa das Doppelte.“ Sehr kritisch sieht der Fachhändler das Thema Restaurierung. Denn hier könne die Grenze zur Fälschung fließend sein, wenn die Fahrzeuge ohne entsprechenden Hinweis verkauft werden. Das gelte auch für liebevolle Restaurierungen von Privatleuten, wenn diese zum Beispiel von Erben online verkauft werden. „Wer seine Autos selbst restauriert und sie zum Beispiel mit einem Kreuz unter der Karosserie klar markiert, der denkt weiter“, sagt der Händler. Für das eigene Sortiment lehnt er restaurierte Modelle und Reproduktionen der Schachteln ganz grundsätzlich ab.

Tuningwerkstatt in 1:64

Seinem Matchboxauto einen ganz individuellen Stil zu verpassen, reizt dennoch viele erwachsene Fans. Davon zeugen unter anderen die zahlreichen Youtube-Tutorials, in denen die wichtigsten Schritte erklärt werden: Vom Demontieren, Entlacken und Neulackieren bis zum Schneiden von Gewinden für die Schrauben. Diese übernehmen die Rolle der originalen Nietverbindungen. Auch Ersatz- und Tuningteile gibt es, mit einem Schwerpunkt in Großbritannien. Viele Teile wie Ersatzachsen (zum Zusammenstecken statt wie im Original mit gestauchten Enden) oder auch Austauschräder sind aber auch in deutschen Onlineshops oder die gängigen internationalen Plattformen zu finden. An entsprechendem Material für Restaurierung oder Individualisierung fehlt es nicht. Wer sich heute als erwachsener Fan für Matchbox begeistert, hat meist selbst mit den Zinkdruckgussautos gespielt, die von dem britischen Automobilzulieferer Lesney hergestellt wurden.

Lesney-Mitinhaber John William Odell, genannt Jack, erfand das erste Matchbox-Modell für seine Tochter und entwickelte daraus eines der weltweit erfolgreichsten Spielzeuge. Nach Baumaschinen und Landtechnik kamen Mitte der 1950er-Jahre immer mehr Personenwagen und Nutzfahrzeuge in der typischen Matchbox-Größe auf den Markt. Dabei gab den jeweiligen Maßstab die Länge der Verpackung vor. Ein schwerer Lastwagen wurde also stärker verkleinert als ein Kompaktautomobil.

Erfolg mit Phantasiemodellen

Zunächst lag der Fokus auf britischen Fahrzeugen wie Land Rover (1955), Vauxhall Cresta (1956), Austin A50, Ford Perfect, Jaguar XK 140 und MG T-Type (alle 1957). Dann fuhren immer mehr internationale Marken auf die Matchbox-Bühne. Dazu kamen frei erfundene Miniaturen wie „Blue Shark“, „Mod Rod“, „Gruesome Twosome“, „Hairy Hustler“, „Road Dragster“ und „Big Banger“: Frech und bunt designte Autos ohne konkretes Vorbild, oft mit einem mächtigen silbernen Motorblock versehen. Für zusätzlichen Spielspaß sorgten „Rola-matic“-Funktionen. So nannte es Matchbox, wenn sich beim Schieben des Autos über ein kleines Getriebe zum Beispiel die Plattform auf der Ladefläche eines Safari-Pick-up drehte oder der Motorblock des „Hot Rocker“ auf und ab hüpfte.

Die ersten Jahrzehnte der Matchbox-Historie waren geprägt von gutem Gespür für die Wünsche der jungen Kunden und von exzellentem Marketing. Das sorgte für eine starke Marktposition in einem anspruchsvollen Umfeld. Denn Lesney war keineswegs der einzige Hersteller von Zinkdruckgussautos. Die britischen „Dinky Toys“ des Traditionsherstellers Meccano kamen schon 1934 auf den Markt. Und Corgi Toys (ebenfalls aus Großbritannien) folgten 1956. Die wohl bekannteste deutsche Marke Siku lancierte erste Zinkdruckgussmodelle im Jahr 1963 und die „Hot Wheels“ des US-amerikanischen Herstellers Mattel fuhren 1968 vor.

Das war die Krönung

Die späten 1970er-Jahre gingen dann weniger freundlich um mit Matchbox. Nach einer Insolvenz von Lesney und zwei Besitzerwechseln übernahm 1997 Mattel die Traditionsmarke. Mittlerweile bietet das US-Unternehmen einige Modelle sogar wieder zusammen mit Pappboxen an, die an die einstigen Verpackungen erinnern. Zum 70. Matchbox-Geburtstag ist eine Reihe von Sondermodellen erschienen – unter anderem auch die Krönungskutsche von Queen Elizabeth II. Sie war 1953 das erste Lesney-Modell, noch bevor der Name „Matchbox“ etabliert war. Mehr als eine Million Exemplaren verkaufte der Hersteller damals. Das war ein besseres Argument für den Matchbox-Start als jede Marktforschung.

Über den Autor:

Geschichten über Technik und Menschen erzählen: Das fasziniert den Journalisten, Autor, Kulturwissenschaftler und Dozenten seit mehr als 30 Jahren. Technisches Spielzeug steht dabei immer wieder im Fokus, vom Baukasten bis zu interaktiven digitalen Lernspielzeugen. Nach Studium und Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität schreibt Peter Thomas für Tageszeitungen, Magazine und Unternehmenspublikationen im deutschen und englischen Sprachraum. Seine Schwerpunkte neben der Welt des Spiels sind Mobilitäts-, Sicherheits-, Energie- und Medizintechnik.

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