Bunte Steine werden grün

Von Peter Thomas

Zahlreiche Spielzeughersteller planen den Umstieg von erdölbasierten Kunststoffen zu Materialien aus natürlichen Rohstoffen. Die junge Marke Biobuddi aus den Niederlanden zeigt schon heute, wie diese Transformation gelingen kann: Klemmbausteine und andere Spielwaren entstehen CO2-neutral aus „grünem“ Polyethylen.

Von der Schildkröte bis zum Feuerwehrauto: Die Klemmbausteinmodelle des niederländischen Herstellers Biobuddi greifen klassische Themen der Baukastenwelt für Kinder auf. Und durch das intuitive Konstruieren über die Anleitungsbögen hinaus eröffnen die Noppensteine sowieso viele weitere Spielwelten. Das Material, aus dem die Steine sind, unterscheidet sich jedoch von den üblichen Klötzchen: „Unsere Bausteine bestehen ausschließlich aus grünem Polyethylen (Bio-PE). Das ist ein Biokunststoff, der aus einem Nebenprodukt der Zuckerrohrverarbeitung gewonnen wird“, erklärt Geschäftsführer Job Nijssen.

Die meisten Kunststoffspielwaren werden derzeit nach wie vor aus erdölbasierten Rohstoffen produziert. Das entspricht dem Status in fast allen Branchen, von der Verpackungsindustrie bis zum Sektor der Haushaltsprodukte. Nach einer Darstellung der Vereinigung „European Bioplastics“ machen biobasierte Materialien heute erst rund 1 Prozent der weltweiten Produktion von Kunststoffen aus. Das dürfte sich in den kommenden Jahren aber ändern. Auch in der Spielwarenindustrie läuft die Suche nach Alternativen für Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen auf Hochtouren. Klemmbausteinmarktführer Lego beispielsweise hat 2018 erste Komponenten aus biobasiertem Polyethylen ins Programm aufgenommen und baut das Angebot sukzessive aus. Auch Mattel mit Marken wie Fisher-Price setzt auf die mittelfristige Transformation hin zu pflanzenbasierten Kunststoffen.

Neubeginn mit neuen Materialien

Einen solchen Wandel im laufenden Geschäft konnte sich Biobuddi komplett sparen. Denn das niederländische Start-up stellt seine Bausteine und anderen Komponenten seit Beginn an aus pflanzenbasiertem Kunststoff her. Wichtig für die Macher um Gründer Steve van Bommel: Das eingesetzte grüne PE kann komplett recycelt werden.

Unsere Steine sind über den ganzen Nutzungszyklus hinweg kohlenstoffdioxidneutral.

Job Nijssen

Diese Recyclingfähigkeit war für Kunststoffprodukte nicht immer selbstverständlich: Erst 2022 haben schwedische Forscher festgestellt, dass in vielen sehr alten Kunststoffspielzeugen Substanzen wie Phtalate und Chlorparaffine in kritischen Mengen enthalten sind. Das macht ein sicheres Recycling solcher Produkte ausgesprochen schwierig.

Biobuddi achtet nicht nur beim Rohstoff der Bauklötze auf Nachhaltigkeit. Dazu trügen unter anderem auch umweltfreundliche Papierverpackungen für die Baukästen bei, erklärt der Geschäftsführer. Im deutschen Spielwarenhandel sind die auf der Spielwarenmesse 2023 präsentierten Sets der „Small Blocks“-Reihe zum Preis von 10 bis 50 Euro erhältlich.

In der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre startete Biobuddi in den Niederlanden den Vertrieb seiner Baukästen. Produziert werden die Steine lokal im Spritzgussverfahren. Das Granulat des grünen PE bezieht das junge Unternehmen aus Deutschland. Zum Sortiment gehören neben kleinen und großen Klemmbausteinen auch Lernbaukästen sowie Dominosteine für die beliebten Kettenreaktionsskulpturen.

Große Möglichkeiten für die Zukunft

Künftig werden Kunststoffe aus nachhaltigen Quellen eine zunehmende Rolle für die Spielwarenindustrie und andere Branchen bekommen. Viele Produkte entsprechen chemisch den bekannten Kunststoffen aus fossilen Quellen – zum Beispiel grünes Polyethylen (Bio-PE), grünes Polyethylenterephthalat (Bio-PET) und grünes Polypropylen (Bio-PP). Dazu kommen neue Materialien, die erst durch die Verwendung nachwachsender Naturrohstoffe für die industrielle Kunststofftechnik verfügbar geworden sind. Zu dieser Gruppe zählen unter anderem Polymilchsäure (PLA), Polyhydroxyalkanoate (PHA) und thermoplastische Stärke (TPS).

Teilweise werden auch Gemische aus herkömmlichen Kunststoffen und neuen Materialien (sogenannte Blends) verwendet. So ist an der Technischen Universität Chemnitz ein Biokunststoff entwickelt worden, der zu zwei Dritteln aus PLA besteht, die aus Mais gewonnen wird. Der fränkische Spielwarenhersteller Martin Fuchs produziert daraus unter anderem Sandkastenspielzeuge. Auch das österreichische Forschungsinstitut ACIB aus Graz arbeitet an Blends für den Einsatz in der Spielwarenindustrie, beispielsweise einer Mischung aus Bio-PET und Naturkautschuk.

Die vielen Ansätze sprechen für eine große Dynamik des Wandels. Letztlich führen sie aber alle in eine gemeinsame Richtung: zum Spielspaß mit sicheren, langlebigen Produkten aus nachhaltigem Kunststoff.

Über den Autor:

Geschichten über Technik und Menschen erzählen: Das fasziniert den Journalisten, Autor, Kulturwissenschaftler und Dozenten seit mehr als 30 Jahren. Technisches Spielzeug steht dabei immer wieder im Fokus, vom Baukasten bis zu interaktiven digitalen Lernspielzeugen. Nach Studium und Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität schreibt Peter Thomas für Tageszeitungen, Magazine und Unternehmenspublikationen im deutschen und englischen Sprachraum. Seine Schwerpunkte neben der Welt des Spiels sind Mobilitäts-, Sicherheits-, Energie- und Medizintechnik.

 

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