Holzspielzeug: Das ist 2023 angesagt!

Retro-Holzspielzeug – die neue Zukunft?

Von Ulrich Texter

War die Zukunft früher tatsächlich besser? Oder bewegen wir uns nur im Kreis? In der Mode und im Interior-Design kehren jedenfalls einstige Trends zurück. Besonders hipp sind dabei die 60er- und 70er Jahre, die im Bereich der Kultur, der Musik, der bildenden Künste, der gesellschaftlichen Partizipation und der Reformpädagogik zu den innovativsten Dekaden des letzten Jahrhunderts zählten, nur vergleichbar mit den 20ern. Es wundert niemanden, dass vieles, was damals für einen gesellschaftlichen Aufbruch stand, mit der Regelmäßigkeit von Gezeiten im Hier und Heute aufploppt, auch in der Spielwarenbranche. Damit sind keineswegs nur jene Spielzeuge gemeint, die jener Zeit entstanden und von denen etliche zu Klassikern zählen, weil Generationen von Eltern damit groß geworden sind. Die 60er- und 70er Jahre, aber auch frühere Epochen liefern eher die Matrix für aktuelles Produktdesign.

Beispiele für den Vintage- oder Retro-Trend kommen u.a. von der Hape-Gruppe, unter deren Dach sich Marken wie Hape, beleduc und Käthe Kruse finden, und vom Holzspielwarenher­steller goki. Käthe Kruse stand seit jeher für Puppen, die sich an der Waldorf-Pädagogik orientieren. Neu ist, dass nun auch die Marke für Holzspielzeug, Hape, erstmals im Segment der Kleinkind­spielzeuge Holzstapelblöcke auf den Markt bringt. Sie animieren zum freien Spiel und orientieren sich im Sinne der anthroposophischen Erziehungsideale an Echtheit, der Natürlichkeit des Materials, vor allem aber an der Vielfalt an Spielmöglichkeiten und „organischer Architektur“. Diesen Weg beschreitet auch goki mit der neuen „Evolution-Reihe“. Die organischen Formen der neuen-Spielzeuglinie, etwa das Pilzhäuschen, sollen Kindern Freiraum für eigene Kreationen bieten, so der Hersteller.

Comeback des freien Spiels

Ein weiterer Vertreter der „freien Spielidee“ ist die HolzWald GmbH, die 2023 Premiere auf der Spiel­warenmesse feierte. Das Hagener Unternehmen, 2022 gegründet, vertreibt hochwertiges und päda­gogisch wertvolles Holzspielzeug einer kleinen georgischen Manufaktur, die mit ihren abgerundeten Kanten, den klaren, schlichten Formen und der sorgfältigen Verarbeitung im Dienst der Anthroposo­phie stehen. Die Steinersche Lehre hinterließ auch Spuren bei „Kokito ltd“, die ihren „Wooden Duck“ als „Waldorf-Ente“ positioniert. Die prominentesten Vertreter des freien Spielens sind aller­dings die Margarete Ostheimer GmbH, die seit über 80 Jahren Kindern Gutes geben will, sowie Grimm’s Holz Spiel & Design, das mit der neuen Spielwelt Waldlichtung „die ganze Welt des freien Spiels in einer Box“ in Nürnberg zeigte. Es dürfte nicht zuletzt der Glaube dieser „Traditionalisten“ an die Idee von schönem, künstlerisch gestaltetem Spielzeug sein, die in diesem Markt seit ein paar Jahren für Impulse gesorgt haben.

Dezente Performance

Retro oder Vintage braucht allerdings nicht immer eine reformpädagogische Idee, um Altes wieder aufleben zu lassen, wie die Marken Little Dutch und Kids Concept zeigen. Die Holländer widmen der „guten alten Zeit“ eine 11 Produkte umfasste Vintage-Kollektion, u.a. mit Lauflernwagen, Camper und einem Abacus. Kids Concept wiederum präsen­tierten eine Auswahl von Produkten nach dem Vorbild von Carl und Karin Larssons, die als Begründer des schwedischen Einrichtungsstils gelten. Die Kollektion umfasst Einrichtungsgegenstände und Spielsachen, die aus Naturmaterialien und mit liebevollen Details gefertigt werden. Sie zeigt aber vor allem eins. Spielsachen entwickeln sich zunehmend zum Spiegelbild des Lifestyles; sie sind Teil der Repräsentation, müssen sich ins Gesamtbild des Interiors integrieren.

Nichts verdeutlicht diesen Trend mehr als der Siegeszug von Pastelltönen, um dem Holzspielzeug den richtigen Look & Feel zu geben. Nahezu alle Holzspielzeughersteller setzen auf dezente Farbgebung, sei es nun Plan Creations Co., das in diesem Jahr eine „Pastel Collection“ auf den Markt bringt, sei es Eichhorn mit seiner Babylinie oder sei es Selecta mit der „belly button- und Steiff-Kollektion“. Die Holz­spielzeuge „schreien“ nicht, sondern geben sich bewusst zurückhaltend. Wie weit der Trend zum farblichen Understatement gehen kann, zeigt das Unternehmen Jabadabado. Der neue „Stacking rainbow“ kommt nicht mehr als Eyecatcher in kräftigen Regenbogenfarben daher, sondern in dezenten, erdigen Tönen, um auch als Deko-Accessoires eine „bella figura“ in heutigen Cocooning-Zentren abzugeben. Auch ein Paradoxon schafft es ins Sortiment.

Moderne Interpretationen

Der Trend zu Retro überrascht nicht. Die Entwicklung von Spielzeug gleicht insgeheim der Auseinan­dersetzung mit theoretischer Physik. Wie es auf der Ebene der Quarks nichts mehr gibt als Quarks, gibt es auf der Ebene der Grundschemata von Spielen nichts als diese Grundschemata. Die Kunst ist, aus dem, was ist, was zu machen, das zeitgemäß ist. Das gilt erst recht für die Hersteller von Holz­spielwaren, ist das Naturmaterial doch nur begrenzt „formbar“ und damit designbar.

Nachzieh- und Schiebespielzeuge zählen deshalb nicht ohne Grund zu den archetypischen Spiel­sachen. Der „Pull Along Drummer“ von Plantoys greift diesen Klassiker erneut, aber mit einem Augenzwinkern auf. Während der Nachwuchs das Spielzeug zieht, haut die Drummer-Figur auf die Trommel. Ein Beitrag zur musikalischen Frühziehung oder insgeheim Angriff auf die Nerven der Eltern? Sicher ist: ein Spielzeug mit Pfiff und Humor. Ebenfalls aus den Kinderzimmern dieser Welt nicht wegzudenken sind Motorikschleifen. Eine aktuelle Interpretation legte EverEarth mit dem 7-in-1 Space Activity Cube vor, das Dreh- und Steckspiel sowie eine Raumstation mit Planeten, Fahr­zeugen und Alien-Figuren ist. Für diese Interpretation gab es den Toy Award in der Kategorie Baby & Infant.

Ein weiteres Beispiel für die Interpretation spielerischer Grundschemata liefert das Unternehmen FLEXA, das sich mit Kindermöbeln und Einrichtungsgegenständen einen Namen gemacht hat. 2022 führte die dänische Firma unter dem Markennamen „FLEXA Play“ eine aus mehr als 50 Produkten be­stehende Holzspielkollektion ein, um „Kinder zum Spielen anzuregen und gleichzeitig ihre Entwick­lungsbedürfnisse zu unterstützen.“  Beispielsweise werden Bauklötze, in dezentem „Scan-Look“ angeboten. Ebenfalls traditionelles, dafür aber „pfiffiges Holzspielzeug“ verspricht auch die Manufaktur „dynamiko“. Für das 2017 gegründete Startup scheint das Motto zu gelten: Es gibt sie noch, die guten Dinge. Jedes Stück ist ein Unikat, weil die Bayern auf Handarbeit setzen. Kommt einem das nicht irgendwie auch retro vor?

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Zu Spielwarenmesse Digital

Über den Autor

Ulrich Texter machte nach seinem Studium der Psychologie und Philosophie an der FU Berlin das Schreiben zum Beruf. Er hegt eine Vorliebe für Literatur, Jazz und Design. Seit über 20 Jahren begleitet er die Spielwarenindustrie als Chefredakteur für das Fachmagazin planet toys. Sein Faible für Design spürt man, wenn er den Blick auf kleine Schmuckstücke der Spielwarenbranche richtet. Getreu dem Motto „Wir können auch anders“ schafft er als ehrenamtlicher „Kulturimpresario“ mit dem Ostenfelder Leseherbst und den Kinderliteraturpreis „Schlossgeschichten“ kleine Kulturoasen in Bad Iburg.

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