Kreislaufwirtschaft bei Spielzeug? Lernen von 4 Pionieren

Unternehmen, die unsere lineare Industrie zu mehr Kreislaufwirtschaft umbauen

Kommentar von Sharon Keilthy

Kreislaufwirtschaft ist ein Modewort, das gut klingt. "Ein System, in dem Materialien nie zu Abfall werden und die Natur sich regeneriert"? Ja, bitte! Aber es ist nicht einfach, eine lineare Branche wie die Spielzeugindustrie in ein Kreislaufmodell zu verwandeln. Ich weiß das, weil ich es versucht habe (und größtenteils gescheitert bin) und beobachtet habe, wie andere es versucht haben (mit gemischten Ergebnissen). Aber in den nächsten 5 Jahren werden EU-Verordnungen erlassen, die all dies ändern und die Kreislaufwirtschaft zum Standard für jede Branche machen sollen. Jetzt ist es also an der Zeit, zu lernen, zu experimentieren und sich vorzubereiten. In diesem Artikel erzähle ich, wer was in dieser Hinsicht unternommen hat und was wir von ihren Erfahrungen lernen können, um Spielzeug kreislauffähiger zu machen.

Kreislaufwirtschaft bedeutet, weniger neue Sachen zu produzieren und stattdessen mehr wiederzuverwenden und zu reparieren.

Sharon Keilthy

Also muss sich die Spielzeugindustrie auf der ganzen Welt überlegen, wie sie zumindest einen Teil ihrer Umsätze mithilfe von recycelten und reparierten Artikeln machen kann. Das ist leichter gesagt als getan. Ich will hier vier Pioniere in Sachen Kreislaufwirtschaft vorstellen.

Vorreiter der Kreislaufwirtschaft Nr. 1: LEGO

© BrinkLink

2019 hat LEGO den Online-Marktplatz BrickLink gekauft, auf dem man LEGO-Bausets und -Einzelteile (sowohl gebraucht als auch unbenutzt) kaufen und verkaufen kann. Irgendjemand hatte sich also im Vorfeld Gedanken darüber gemacht, wie man mit gebrauchten LEGO-Teilen Geld verdienen kann, woraufhin LEGO sich diesen (relativ kleinen) Teil seines Geschäftsmodells nicht durch die Lappen gehen lassen wollte.

LEGO stellt hochwertige Produkte her, die aufgrund ihrer Langlebigkeit und ihrer treuen Fangemeinde kaum an Wert verlieren. Deshalb ist der Wiederverkauf von LEGO-Produkten ein lohnendes Geschäft, bei dem gebrauchte Sets mitunter für 70% des Preises von Neuwaren gehandelt werden, wenn sie komplett sind. Und sogar bunte Mischungen aus allen möglichen LEGO-Steinen erzielen einen Kilopreis zwischen 12 und 25 Euro.

Vorreiter der Kreislaufwirtschaft Nr. 2: Rejouons Solidaire

© Rejouons Solidaire

Andere Spielwaren sind nicht ganz so langlebig, komplexer aufgebaut, aufwendiger zu reinigen und schwieriger zu testen. Rejouons Solidaire ist ein französischer Zusammenschluss von Initiativen, der gebrauchte Spielwaren auf Spendenbasis entgegennimmt, testet, reinigt und dann in einem seiner 26 Outlets verkauft. 2022 wurden insgesamt 144 Tonnen Spielzeug angenommen, was 40.000 ausgewachsenen Bäumen entspricht, die nicht gefällt werden mussten – ein äußerst wichtiger Beitrag zur Erhaltung unseres Planeten!

Der Wiederverkauf von gebrauchten Spielwaren (außer LEGO) hat seine wirtschaftlichen Tücken. Nehmen wir einmal das Beispiel Barbie. Eine neue Barbiepuppe ist für etwa 15 Euro zu haben, ohne Steuern sind das ca. 12 Euro. Die Kosten für das Einsammeln, Sortieren, Reinigen, Testen, Neuverpacken und den Wiederverkauf (und die Entsorgung von nicht mehr zum Verkauf geeigneten Produkten) unter 12 Euro zu halten, ist nicht ganz einfach, vor allem wenn fast jedes Produkt, das man bekommt, individuell ist.

Rejouons Solidaire kann das leisten, weil die Lohnkosten subventioniert sind. Die Vereinigung hat zwei Missionen: Spielsachen vor der Mülltonne zu bewahren und für gesellschaftliche Inklusion zu sorgen. Dafür schafft sie Jobs für gesellschaftliche Randgruppen und erhält im Gegenzug vom Staat finanzielle Unterstützung. 2022 wurden 196 Jobs geschaffen.

Ich habe versucht, das Geschäftsmodell von Rejouons Solidaire auf Irland zu übertragen. Aber staatlich subventionierte Werkstätten, die man in Europa häufig antrifft, sind hier eher die Ausnahme und wenn es sie gibt, sind sie viel kleiner. Deswegen hat der Transfer nicht geklappt. Ich hoffe aber, dass Start-Ups in anderen Ländern mit ähnlichen Konzepten, wie z.B. Circle Toys in der Schweiz, mehr Glück haben.

Vorreiter der Kreislaufwirtschaft Nr. 3: Whirli UK

© Whirli

Whirli ist eine britische „Toy Library“ im Internet, die auf Abobasis funktioniert. Sie liefert Spielsachen per Kurier an Kunden und lässt diese dann nach einer gewissen Zeit wieder abholen. Whirli hatte mehr als 10.000 Mitglieder, ging aber 2022 in Konkurs. Ich fand das schade, war aber nicht unbedingt überrascht davon. Ich hatte versucht, dieses Modell auf Irland zu übertragen, allerdings ohne Erfolg, denn bei uns kostet eine Kuriersendung (einfach) mehr als 6 Euro. Whirli wurde von einem anderen Unternehmen übernommen und ist nach wie vor am Leben – allerdings scheint man dort jetzt kleinere Brötchen zu backen.

Vorreiter der Kreislaufwirtschaft Nr. 4: Lokale Spielzeugausleihen

Ein Bibliothekar erklärte unlängst bei einem Vortrag in Dublin: „Bibliotheken haben die Kreislaufwirtschaft zuerst gelebt“. Und das stimmt! Denn das einzige Modell, bei dem (neben LEGO) das Prinzip der Kreislaufwirtschaft funktioniert, ist die Bibliothek.

Ich habe mir sagen lassen, dass es in der Schweiz eine Vielzahl von Spielzeugausleihen gibt, die von Freiwilligen betrieben und staatlich bezuschusst werden. Ähnliche Einrichtungen findet man auch in Großbritannien. In Irland gibt es gerade einmal zwei eigenständige Toy Libraries, und die haben sehr überschaubare Öffnungszeiten.

Mich interessiert aber eine ganz andere Einrichtung, die nicht nur ausreichend finanziert und versichert ist, vernünftige Öffnungszeiten hat und über Mitarbeiter verfügt, die wissen, wie Ausleihe funktioniert: die öffentlichen Bibliotheken! Wenn man dort auch in allen Einrichtungen noch Spielsachen im Angebot hätte – das wäre wunderbar! Eine von mir ins Leben gerufene Lerngruppe hat in Irland ein entsprechendes Projekt angestoßen und bereits zehn weitere öffentliche Büchereien zum Mitmachen überredet – mal sehen, was daraus wird

ITLA - The International Toy Library Association ist ein internationales Netzwerk zum Austausch von Erfahrungen und Wissen über Spielzeugausleihen.

Wie steht es um Rücknahmeprogramme?

© Lego

Rücknahmeprogramme für gekauftes Spielzeug sind zweifelsohne gut gemeint. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob man hier wirklich von Kreislaufwirtschaft sprechen kann, denn so richtig funktionieren tun diese Programme nicht.

LEGO RePlay hat mehr als 140.000 Kartons mit gebrauchten Legosteinen gesammelt und diese an mehr als 250.000 Kinder weitergegeben. Das ist super, aber kein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, sondern eher eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Denn die Herstellung neuer Steine wird nicht in dem Sinne vermieden, dass Menschen, die normalerweise Neuware kaufen würden, stattdessen gebrauchte Produkte kaufen.

Das Play-Back Programm von Mattel und auch Hasbros Zusammenarbeit mit Terracycle machen Interessierten die Teilnahme nicht einfach. Familien müssen erst einmal in Erfahrung bringen, welche Spielsachen zu welchem Programm gehören, ein Label ausdrucken, alles in einem Karton verpacken, zur Post bringen… das ist viel mehr Aufwand, als wenn man die Sachen einfach beim nächsten Charity Shop vorbeibringt oder gleich in den Müll wirft. Oft werden auch sehr alte Spielsachen zurückgesandt, die den heutigen Sicherheitsstandards in puncto Material nicht mehr entsprechen. Das Recycling von Spielwaren ist überhaupt schwierig, denn sie bestehen häufig aus unterschiedlichsten Materialien und lassen sich – weil sie ja für die Zielgruppe Kinder produziert sind – nur schwer auseinandernehmen. Darum ist Downcycling oft der beste Weg, und so werden Spielsachen häufig zu Parkbänken oder Spielplatzkomponenten – was immer noch besser ist, als wenn sie einfach in der Müllverbrennungsanlage oder auf der Deponie landen.

Kreislaufwirtschaft ist mehr als Second Hand

Reparieren ist ein wichtiger Grundsatz der Kreislaufwirtschaft. Dasselbe gilt für Recycling, denn beide Verfahren sorgen dafür, dass Produkte entweder ein weiteres Mal verwendet werden oder das daraus entstehende Ergebnis wiederverwendet werden kann.

Die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte ist eine neue EU-Verordnung, die ab 2026 in Kraft tritt und wünschenswertes Verhalten wie die Verwendung von recycelten Stoffen und Eigenschaften wie Haltbarkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten (z.B. durch Vorhalten von Ersatzteilen und Reparaturdiensten) sowie deren Recyclingfähigkeit fördern soll (oder sogar vorschreiben wird). Wahrscheinlich wird auch ein digitaler Produktpass eingeführt, mit dem sich Produkte nachverfolgen lassen. Ich bin schon ganz gespannt, was daraus wird.

Der französische Hersteller von 3D-Druckern Dagoma hat mit Toy Rescue: eine kostenlose Sammlung von Mustern auf den Markt gebracht, mit denen sich Ersatzsteile für Spielzeuge mithilfe eines 3D-Druckers ausdrucken lassen. Gleichzeitig experimentieren kleine und große Spielzeugproduzenten mit Recycling-Kunststoffen. Hier werden Fragen wie Zertifizierung und Produktketten immer wichtiger.

Kreislaufwirtschaft bei Spielzeugen ähnelt einer Reise nach Barbieland

Alles in allem dürfte der Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft bei Spielzeug noch lang sein, ungefähr so wie ein Trip aus dem Hier und Jetzt ins Barbieland. Aber die neuen EU-Verordnungen stehen schon vor der Tür, und mancher Pionier hat schon eine längere Lernkurve hinter sich, sodass sich bald etwas bewegen dürfte. Ich würde sagen, dass wir in den nächsten zehn Jahren große Änderungen sehen werden. Und ich bin schon ganz gespannt darauf, was noch so alles passieren wird. Auf jeden Fall sollten Sie Ihre Rollerblades schon jetzt bereithalten.

Bis jetzt gibt es folgende Spielsachen aus Recycling-Kunststoff:

Toy Business Forum

Sharon Keilthy wird auf dem Toy Business Forum der Spielwarenmesse 2024 sprechen. Erleben Sie die Umweltaktivistin persönlich.

Mittwoch, den 31. Januar, 15:20 – 15:50 Uhr
Nachhaltigkeit wird zum Mainstream in der Toy-Branche – sind Sie bereit?

Mehr Informationen zum Vortrag von Sharon Keilthy

Über die Referentin:
Sharon Keilthy ist Gründerin des weltweit ersten Spielzeugshops für ökologisch denkende und handelnde Menschen: Jiminy.ie. Bis heute hat sie Ökospielzeug im Wert von über 1 Mio. Euro verkauft. Alles CO2-neutral und abfallarm. Sie ist Mitbegründerin der Women in Toys Sustainability Learning Community, zur Schaffung von Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit.

Zum Überblick über das gesamten Programm des Toy Business Forums 2024

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