Glitzer ade? Das Mikroplastikverbot trifft die Spielzeugindustrie

Eine REACH Verordnung zur Beschränkung von Mikroplastik trifft die Spielzeugindustrie

von Daniele Caroli

Die Europäische Union hat Beschränkungen für synthetische Polymer-Mikropartikel erlassen. Dort wird spezifiziert, dass für bestimmte Produkte keine besonderen Übergangsfristen mehr gelten, sondern dass diese ab dem zwanzigsten Tag nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union verboten sind – also bereits seit dem 17. Oktober dieses Jahres.

Umweltverschmutzung durch Mikroplastik

Die Verordnung betont in Artikel 1, dass „das ubiquitäre Vorkommen winziger Fragmente synthetischer oder chemisch modifizierter natürlicher Polymere, die wasserunlöslich sind, nur sehr langsam abgebaut werden und leicht von lebenden Organismen aufgenommen werden können, Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer allgemeinen Auswirkungen auf die Umwelt und möglicherweise auch auf die menschliche Gesundheit gibt. Diese Polymere sind in der Umwelt weitverbreitet und konnten auch in Trinkwasser und Lebensmitteln nachgewiesen werden. Sie akkumulieren in der Umwelt und tragen zur Verschmutzung durch Mikroplastik bei.“. In Artikel 2 heißt es dann „Ein großer Teil der Verschmutzung durch Mikroplastik entsteht unbeabsichtigt, etwa durch den Abbau größerer Stücke von Kunststoffabfällen, die Abnutzung von Reifen und Straßenmarkierungsfarbe oder das Waschen synthetischer Kleidung. Winzige Fragmente synthetischer oder chemisch modifizierter natürlicher Polymere werden jedoch auch hergestellt, um als solche verwendet oder Produkten zugesetzt zu werden.“

Folglich betrifft das Verbot nicht nur Spielwaren, bei deren Herstellung Glitzer zum Einsatz kommt, sondern auch andere Kategorien wie Festartikel, Weihnachtsdeko, Textilien und Sportartikel. Der Verband Toy Industries of Europe (TIE) und weitere Experten sind der Auffassung, dass Glitzerstoffe, die in Polymeren enthalten sind oder mit Klebstoff an einem Produkt befestigt werden, als „Artikel“ im Sinne der Verordnung gelten. Deshalb dürften für sie auch nicht die Beschränkungen aus Artikel 42 gelten, die „das Inverkehrbringen von synthetischen Polymermikropartikeln als solche oder von synthetischen Polymermikropartikeln, die in Gemischen absichtlich vorhanden sind, um ihnen eine gewünschte Eigenschaft zu verleihen (z. B. Farbe, Textur, Volumen, Wasseraufnahme, Fließfähigkeit oder Hitzebeständigkeit)“ betreffen.

Mangelnde Rechtssicherheit

Bereits im April 2023 hatte der TIE seine Mitglieder darüber informiert, dass Glitzerstoffe als solche (es sei denn, sie sind abbaubar, löslich oder organisch), Sticky Beads (Perlen mit klebriger Oberfläche), auf einen Artikel aufgebrachte Glitzerstoffe, die nicht „dauerhaft im Rahmen einer festen Matrix ein Bestandteil davon sind“ sowie Slime mit synthetischen Polymermikropartikeln in Zukunft dauerhaft verboten sein dürften. Da noch keine weiteren Leitlinien oder Q&A-Dokumente dazu vorliegen, wie verschiedene Produkte einzuordnen sind, ist aktuell nicht klar, wie sich die neuen Beschränkungen auf zahlreiche Produktkategorien wie z.B. Weihnachtsdeko auswirken. Deswegen entsteht laut TIE eine Rechtsunsicherheit. Verstärkt wird diese Unsicherheit noch dadurch, dass das Verbot für unterschiedliche Produktarten unterschiedlich ausgelegt werden könnte und es daher nicht absehbar ist, wie die Verordnung in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt wird.

Unterschiedliche Übergangsfristen

Nicht verständlich ist auch, warum die Hauptverursacher der Freisetzung von Mikroplastik in den Genuss von Übergangsfristen kommen, die bis zu zwölf Jahre lang sein können, während kleinere Verursacher wie die Produzenten von Spielwaren, Festartikeln und Weihnachtsdekoration praktisch über Nacht in die Haftung genommen werden und gar keine Zeit haben, sich an die veränderte Situation anzupassen. So gilt die Beschränkung zum Beispiel für synthetische Polymermikropartikel, die in Verkapselungen von Duftstoffen genutzt werden, erst ab 17. Oktober 2029, und für bestimmte Lippenpflegeprodukte, Nagelmittel und Make-up erst ab 17. Oktober 2035. Beim TIE ist man der Auffassung, dass es aufgrund des Fehlens eines Übergangszeitraums nicht möglich ist, die erforderlichen betrieblichen Anpassungsmaßnahmen umzusetzen (je nach Branche kann der Produktentwicklungszyklus vom Anfang bis zur Markteinführung mehrere Jahre dauern) und sich umfassend über das Verbot kundig zu machen.

Umsetzung ist verpflichtend

Die Mitglieder des TIE haben die Europäische Kommission aufgefordert, eine allgemeine 18-monatige Übergangsfrist einzuführen, um negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt zu vermeiden. Sollte dies unmöglich sein, sollten die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, eine 18-monatige Schonfrist zu gewähren, während der die Umsetzung in nationales Recht ruht.

Bis jetzt ist noch keine Antwort von der Kommission eingegangen. Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, das Mikroplastik-Verbot umzusetzen, denn es handelt sich hier um eine Verordnung und nicht um eine Richtlinie, erläutert Rocco Scopelliti, Fachmann für Produktsicherheit bei Assogiocattoli, dem italienischen Verband für Spielzeug, Babyprodukte, Weihnachtsdekoration und Festartikel. Alle warten jetzt auf die Leitlinien. Seiner Auffassung nach dürften die Hersteller von Weihnachtsdekoration am stärksten betroffen sein, wobei die Mehrzahl der Produkte für die laufende Saison jedoch bereits vor dem 17. Oktober 2023 importiert und/oder ausgeliefert wurden und daher nach wie vor verkauft werden dürfen.

Mikroplastik - was ist das genau?

Synthetische Polymermikropartikel (Mikroplastik) sind feste, in Partikeln enthaltene Polymere, die mindestens 1% des Gewichts dieser Partikel ausmachen oder eine dauerhafte Beschichtung der Oberfläche dieser Partikel darstellen.

Wie klein ist klein?

Die Partikel müssen eine Größe von weniger als 5 Millimeter haben, oder die Länge der Partikel muss kleiner gleich 15 Millimeter und das Verhältnis von Länge zu Durchmesser größer 3 sein.

Welche Polymere sind weiterhin erlaubt?

Polymere, die das Ergebnis eines natürlichen Polymerisierungsprozesses und somit keine chemisch modifizierten Stoffe sind, bestimmte abbaubare Polymere, lösliche Polymere und Polymere, die keine Kohlenstoffatome in ihrer chemischen Struktur aufweisen, fallen nicht unter die Definition und sind nicht vom Mikroplastik-Verbot betroffen.

Die EU-Verordnung zu synthetischen Polymer-Mikropartikel

Verordnung (EU) Nr. 2023/2055 vom 25. September 2023 zur Änderung von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH).

Über den Autor

Daniele Caroli war bis 1985 als Musikjournalist und danach als Journalist im Bereich Unterhaltungselektronik tätig. Mitte der 1990er Jahre wechselte er die Branche und wurde zunächst Chefredakteur des Fachmagazins für Kinderprodukte „Il Giornale dell’Infanzia“ (1994–2018) und später auch noch beim Spielwarenmagazin „Giochi & Giocattoli“ (2000–2013). Als Präsident des internationalen Branchenverbandes Baby Care Magazine International (BCMI) war er 2004–2007 und 2022–2023 tätig, sowie für die International Toy Magazines Association ITMA (2008–2012). Seit 2013 ist er Mitglied im TrendCommittee der Spielwarenmesse und verfasst seit 2020 Beiträge für Spirit of Play, das Online-Magazin der Spielwarenmesse.

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