
75. Jubiläum – Teil 1: Aussteller der ersten Stunde
Wir danken Heless, Glocken-Huck und Loquai Holzkunst
Familienunternehmen sind anders. Sie stehen mit ihrem Namen für das, was sie tun. Damit geben sie nicht nur ein Qualitäts-, sondern ein Werteversprechen im Kontext sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung. Unternehmerfamilien denken nicht in Quartalen, sondern planen für Generationen. Ihr Ziel ist, das Unternehmen gut aufgestellt an Nachfolger weiterzugeben.
Familiengeführte Betriebe sind das Herz der deutschen Wirtschaft. 90 Prozent aller Unternehmen sind hierzulande in Familienhand. Sie erzielen 55 Prozent der Unternehmens-Umsätze, agieren erfolgreich als Global Player und machen den Wirtschaftsstandort Deutschland international wettbewerbsfähig.
Seit der ersten Stunde der Spielwarenmesse sorgen Familienunternehmen auch für Vielfalt in der Spielwarenbranche.
Was an Familienunternehmen fasziniert, sind die Entstehungsgeschichten …
Die Zeitreise in die Gründungsjahre der Spielwarenmesse beginnt bei einer jungen Frau, deren Boxerhündin ihr das Startkapital für eine Unternehmensgründung verschafft. Sie führt zu Europas letzten Schellenmachern, einem Traditionsunternehmen, das seit dem Jahr 1858 besteht, und endet bei einem namhaften Holzspielwarenhersteller, der seit kurzem Spiele, Rätsel und bekannte Bauwerke in Streichholzschachteln packt.
Heless GmbH
Tradition, Qualität und Frauen-Power
Woher wir kommen
Die Heless GmbH – der Firmenname leitet sich vom Mädchennamen der Gründerin ab – wurde 1949 in Schwetzingen von Helga Hess (später Moll) gegründet. Mit einem Startkapital von 1000 D-Mark, die die junge Hobbyzüchterin ihrer geliebten Boxerhündin zu verdanken hatte. Helga Hess konnte den ersten Wurf ihrer Hündin an Liebhaber dieser edlen Hunderasse verkaufen. Mit dem Erlös perfektionierte die junge Gründerin ihr Fachwissen aus dem elterlichen Unternehmen, einer Gummiwarenfabrik und wandelte es in Innovationen um. Ihre Puppenflaschen wurden zu Verkaufsschlagern – die aktuellen Modelle sind heute noch im Heless-Sortiment zu finden. Ebenso hochwertiges Puppenzubehör und detailreiche Puppenbekleidung.
Wer wir sind

Als frauengegründetes sowie frauengeführtes Unternehmen vereint Heless Tradition, Qualität und Innovationsgeist und begeistert auch in dritter Generation mit kompetenter Frauen-Power Puppenliebhaber in aller Welt. 2015 tritt Susanna Becker in das Unternehmen ein und übernimmt 2018, gemeinsam mit ihrer Mutter Beate Becker, die Geschäftsführung. Trendige Ideen sowie ein unverwechselbares Design by Susanna Becker schärfen heute das Heless-Markenprofil.
Das Angebot an Puppenmode und Accessoires wird kontinuierlich um aktuelle Trends ergänzt. Besonders beliebt sind die Heless-Badekollektionen sowie fantasievolle Puppenkreationen wie das Traumkleid oder das Eisprinzessin-Kleid.
Die konsequente Ausrichtung auf Qualität und Nachhaltigkeit spiegelt sich in der Fair Trade Linie wieder, die 2017 mit den Puppen Maya und Max ins Leben gerufen wurde.
Beate Becker … ganz persönlich

Frau Becker, was ist über den ersten Messeauftritt von Heless bekannt?
Das hat meine Mutter, Helga Moll, in unserer Familienchronik festgehalten: Sie hatte auf der ersten Spielwarenmesse eine klitzekleine Tischfläche in einer Baracke hinter dem Wieseler-Haus. Das war ihr Messestand. Es war kalt und zugig, geheizt wurde mit Sägemehlöfen, aber alle Aussteller waren zufrieden. Mit 21 Jahren war meine Mutter bestimmt die jüngste unter ihnen. Und ihre Produkte kamen an. Sie bekam ihren ersten Exportauftrag nach Italien. Den Rechnungsbetrag erhielt sie noch auf der Messe. Schnell kamen Nachbestellungen und sie hatte gut zu tun, denn sie machte, um Löhne zu sparen, möglichst viel selbst.
Die Spielwarenbranche ist eine große Familie. Und die Spielwarenmesse ähnelt einem Familientreffen. Worauf freuen Sie sich jedes Jahr?
Die Spielwarenmesse ist ein Potpourri aus positiven Momenten, Erfahrungen und Begegnungen. Das lässt sich schwer in einzelne Erlebnisse aufschlüsseln. Es ist jedes Jahr ein Homecoming.
Und es macht uns jedes Jahr stolz, seit Stunde null ein Teil der Spielwarenmesse zu sein. Wir haben noch immer Kunden, die bereits auf der ersten Veranstaltung bei uns bestellt haben. Einer davon ist die Firma Gutweniger aus Bozen, die heute in der dritten Generation noch immer Kunde ist und uns jedes Jahr auf der Messe besucht.

Gibt es eines der ersten Produkte, die Heless vor 75 Jahren auf der Spielwarenmesse vorgestellt hat, noch?
Wir haben noch immer Puppenrasseln, -flaschen und -schnuller im Sortiment. Sie gehören heute wie damals zu unseren Bestsellern. In den 80er Jahren führten wir Rollenspielzeuge und in den 90ern Zubehör für Frisierköpfe ein. Unser Kernsortiment fokussierte sich mit der Zeit auf unsere heutigen Linien: Puppenkleidung und Puppenzubehör – mit jährlichen Neuheiten in Anlehnung an aktuelle Trends.
So ticken die Next Gens: Nachhaltig und von Mensch zu Mensch

Für Susanna Becker ist die Spielwarenmesse nicht nur eine B2B-Messe, sie ist eine H2H – human to human – Messe: „In den vergangenen Jahren war deutlich spürbar wie wichtig der persönliche Kontakt mit Kunden, Lieferanten, Partnern und Freunden ist. In Zeiten von KI kann jeder schöne Produktbilder und -videos machen, aber es fehlt die Haptik, das emotionale Erleben und Erfassen der Produkte. Wir wünschen uns, dass die Spielwarenmesse auch in der Zukunft von höchster Relevanz bleibt – sowohl für Aussteller wie auch Besucher.“
Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen: Nach jeder Spielwarenmesse kam meine Mutter noch spät abends in unser Kinderzimmer und legte uns drei Kindern jeweils ein Kuscheltier ins Bett. Sie rochen nach Rauch, aber wir Kinder assoziierten damit Abenteuer und eine aufregende Messewelt.
Beate Becker, Heless GmbH
J. A. Huck GmbH & Co. KG Metallwarenfabrik
Europas letzte Schellenmacher
Woher wir kommen
Würde man alle Glocken, Schellen und Rollen, die beim ‚Glocken-Huck’ seit 1858 produziert wurden, aneinander legen, würde diese Kette die Erde mehrmals umrunden. Die Metallwarenfabrik Huck ist als letzte Glocken- und Schellenmanufaktur eine Reminiszenz an die Zeit, als Nürnberg die Hochburg der Spielwarenfertigung war.
Wer wir sind

Seit 1994 ist mit Jürgen Huck die fünfte Generation der Familie im Geschäft. Er steuert das Familienunternehmen durch das nächste Jahrtausend.
Längst ist das Unternehmen, das seit jeher in Familienbesitz war, weltweit tätig. Ob an Osterlämmern, Kunstwerken, an Jeans oder Teddybären: Die Glöckchen aus Nürnberg sind zu Weltenbummlern avanciert. 2021/2022 schmückten sie auf der Expo in Dubai überdimensionale Kunstwerke aus abertausenden kleinen Glöckchen. Und wenn in Christchurch, Neuseeland, Kinder ihre Spielsachen schütteln, dann läuten Glöckchen aus Nürnberg.
Jürgen Huck … ganz persönlich

Herr Huck, was ist über den ersten Messeauftritt von Glocken-Huck bekannt?
Zeitzeugen gibt es leider keine mehr. Aber es gibt Familiengeschichten über unseren ersten Messeauftritt. Wir pflegten seit 1906 Geschäftsbeziehungen zur Margarete Steiff GmbH. Und da es bei der ersten Spielwarenmesse zu wenig Hotels in Nürnberg gab, wohnten Mitarbeiter der Firma Steiff bei meiner Großmutter. Das war natürlich für die Geschäftsbeziehung sehr förderlich. Damals wie heute stellen wir als Zulieferer für Spielwarenhersteller Tischglocken, Glöckchen und Schellen her.
Die Spielwarenbranche ist eine große Familie. Und die Spielwarenmesse ähnelt einem Familientreffen. Worauf freuen Sie sich jedes Jahr?
Es ist immer, als wären wir gestern erst zusammen gewesen. Wir setzen unsere Gespräche da fort, wo wir sie ein Jahr zuvor beendet haben. Wir kennen uns seit Jahrzehnten oder von Kindheit an. Am Aufbautag wird schon ausgemacht, wo und wann wir uns jeweils treffen. Gerne besuchen wir die RedNight oder andere Abendveranstaltungen. Und nach Messeschluss treffen wir uns an den Ständen bis uns der Sicherheitsdienst hinauskomplimentiert.

Gibt es eines der ersten Produkte, die Huck vor 75 Jahren auf der Spielwarenmesse vorgestellt hat, noch?
Bei uns gibt es Glöckchen – und daran hat sich nichts geändert. Mein Vater sagte immer: Eine Schelle ist in 100 Jahren noch eine Schelle. Dank der heutigen Normen und Sicherheitsstandards sind wir gut im Geschäft. Ein Kunde sagte neulich zu mir: Huck klingt und China scheppert.
So ticken die Next Gens: DNA mit Nachklang
Jürgen Huck hat die Huck’sche Unternehmens-DNA optimiert und für sich eine neue Facette des Klangs entdeckt: Die fernöstliche Kunst der Klangschalentherapie. Der Unternehmer ließ sich zum Klangschalentherapeuten ausbilden. Seit 2005 betreibt er auf dem Firmengelände nach Feierabend eine gut besuchte Praxis.
Mich haben schon als Kind Steiff-Tiere fasziniert. Vor allem der Knopf im Ohr. Als ich etwas älter war fing ich an mein Ohr zu dehnen und ein Jahr später hatte ich nach dem Vorbild der Steiff-Tiere mit dem Knopf ein Glöckchen im Ohr. Das ist bis heute in unterschiedlichen Farben mein Markenzeichen.
Jürgen Huck, J. A. Huck GmbH & Co. KG Metallwarenfabrik
Loquai Holzkunst GmbH
Herzblut, Handarbeit und heimische Hölzer
Woher wir kommen

Die Unternehmensgeschichte der Loquai Holzkunst GmbH beginnt 1934 im Erzgebirgsstädtchen Augustusburg. Der Gründer, Rudolf Arwed Loquai, von Beruf Maler, Grafiker und Bildhauer, arbeitete für Spielwarenhersteller in der Region und verlegte schließlich als eigenständiger Unternehmer seinen Tätigkeitsschwerpunkt in diese aufstrebende Branche. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Familie Loquai nach Pöttmes, wo sie 1959 die Produktion wieder aufnahm.
Seit jeher wird bei Loquai Holzkunst großer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Verwendet werden hauptsächlich Edelhölzer aus der Region.
Wer wir sind
Heute führen die Brüder Horst und Arwed Loquai das Unternehmen in dritter Generation. Sie fertigen Holzspielzeug nach erzgebirgischer Tradition. Das Unternehmen exportiert in zahlreiche Länder. Japan ist ein bedeutender Markt. Die aktuelle Produktpalette umfasst Holzspielzeuge und -dekorationen, Holzzüge, Holzhäuser, Spielwelten en miniature und Streichholzschachtel-Dioramen, Spiele aus Holz sowie Puppenmöbel. Zu den Besonderheiten zählen detaillierte Miniatur-Bausätze, die Gebäude wie das Spielzeugmuseum Nürnberg oder die Alte Synagoge Erfurt darstellen.
Horst Loquai … ganz persönlich

Herr Loquai, was ist über den ersten Messeauftritt von Loquai bekannt?
Leider ist im September 2025 unser Vater Andreas Loquai verstorben. Er hat die Messe von der allerersten Veranstaltung an ohne Unterbrechung als Aussteller besucht. Zur ersten Spielwarenmesse hatte Loquai einen Tisch von einem Quadratmeter in einer Baracke. Bald wurden es zehn Quadratmeter in der ersten Leichtbauhalle. Alle froren und standen in Mantel und Handschuhen am Stand. Im späteren Messehaus bekam Loquai einen Dauerstand. Hier gaben wir auch ein Darlehen für den Bau.

Die Spielwarenbranche ist eine große Familie. Und die Spielwarenmesse ähnelt einem Familientreffen. Worauf freuen Sie sich jedes Jahr?
Man trifft hier wirklich alle. Kunden, Lieferanten, Aussteller von früher und heute die auch zu Freunden wurden sowie viele andere Wegbegleiter. Manche Abende sind zu Ritualen geworden. Treffen auf der ToyNight, Standpartys, der Austausch mit anderen Ausstellern und unlängst nun auch die RedNight – das gehört dazu, das macht die Spielwarenbranche zu einer großen Familie. Auch wenn ein Messetag müde macht, man freut sich jeden Tag auf diese Begegnungen.
Gibt es eines der ersten Produkte, die Loquai vor 75 Jahren auf der Spielwarenmesse vorgestellt hat, noch?
Ja, einige unserer Produkte aus dieser Zeit werden noch heute hergestellt wie zum Beispiel unsere Holzeisenbahnen.
So ticken die Next Gens: Think Big war gestern

Die Brüder Arwed und Horst Loquai haben dem Stammsortiment einen sehr erfolgreichen ‚magischen Touch‘ verliehen. Mit der Linie It’s Matchic! bietet Loquai Holzkunst Rätselspiele, berühmte Bauwerke und Bausätze an – alles en miniature in der Streichholzschachtel.
Heute in Zeiten der Flugscham darf man es eigentlich nicht erzählen, aber 1977 flogen wir einmal mit sehr wichtigen Kunden aus Japan, die unsere Produktion sehen wollten, per Hubschrauber für einen Tag von Nürnberg nach Pöttmes.
Horst Loquai, Loquai Holzkunst GmbH
Über die Autorin
Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft.


