Brüssel stoppt Green-Deal-Gesetz
Eigentlich wollten Europaparlament und Ministerrat am 23. Juni die Einigung auf ein neues Gesetz gegen das Greenwashing verkünden: Das sollte unbelegte Aussagen zu Umwelt- und Klimaschutz in der Werbung verbieten. Dann aber kündigte die Europäische Kommission am 20. Juni – für Europarlament und Ministerrat völlig überraschend und zunächst ohne Angabe von Gründen – an, das Gesetz zurückziehen zu wollen. Kurz darauf legte Italien nach: Per Mail zog die rechtskonservative Regierung unter Berufung auf den Schritt der Kommission am Sonntagabend ihre Unterstützung für das Gesetz zurück. Weil damit die nötige Mehrheit im Ministerrat fehlt, liegt das Gesetz erst einmal auf Eis.
Die Europäische Kommission hatte das Gesetz im Frühjahr 2023 vorgelegt. Es sieht vor, dass Unternehmen, die umweltbezogene Angaben zu ihren Produkten machen wollen, diese mit wissenschaftlichen Beweisen ausreichend belegen und vorab genehmigen lassen. Die Christdemokraten ziehen dagegen schon seit einer Weile zu Felde. Das neue Gesetz biete wenig Mehrwert, argumentiert der Abgeordnete Andreas Schwab (CDU). Die EU verbiete irreführende Werbung bereits. Darunter fielen auch irreführende Umwelt- und Klimaaussagen. Das nun auf Eis liegende Gesetz zu grünen Werbeaussagen sei zudem so kompliziert, dass es dem von Kommission ausgerufenen Bürokratieabbau widerspreche.
Greenwahsing-Gesetz sei zu bürokratisch
Dass die Kommission der Forderung der Christdemokraten so schnell zu folgen schien, überraschte selbst diese. Bei den anderen Parteien in der Mitte des Parlaments stieß die – anders als üblich – nicht vorab kommunizierte Ankündigung umso mehr auf Kritik. Die Vorsitzende der Liberalen, Valérie Hayer, warnte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sofort, sie setze mit ihrem Vorgehen die sie unterstützende Koalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und Christdemokraten aufs Spiel.
Der bei der SPD für das Gesetz zuständige Tiemo Wölken unterstellte der Kommission am Montag eine konzertierte Aktion. Sie habe Italien mit ihrer Ankündigung gezielt einen Vorwand geliefert, um sich gegen das Gesetz zu stellen.
Die Kommission wies das am Montag strikt zurück. Nach Aussage von mehreren hochrangigen Beamten habe sie am Freitag auch nicht das definitive Aus für das Gesetz zu grünen Aussagen ankündigen wollen. „Unser Ziel war, vor den für Montag geplanten Abschlussverhandlungen klarzumachen, dass wir das Gesetz nur mittragen, wenn es nicht zu bürokratisch wird“, sagte Roswall der F.A.Z. Die Kommission habe alarmiert, dass der Ministerrat noch in der vergangenen Woche darauf bestanden habe, den Anwendungsbereich auf Kleinstunternehmen auszuweiten. Statt der vom Kommissionsvorschlag betroffenen 2,5 Millionen Unternehmen wären dann mehr als 30 Millionen Unternehmen betroffen gewesen. „Das ist auch gar nichts Neues, das habe ich seit meinem Amtsantritt immer gesagt“, betonte Roswall. Der Sprecher, der das Zurückziehen des Gesetzes am Freitag angekündigt hatte, habe das nur nicht hinreichend klargestellt.
Ausnahme für Kleinstunternehmen gefordert
Aus Sicht der Kommission liegt der Ball nun im Feld von Europaparlament und Ministerrat. Die Kommission werde sich erst wieder dazu äußern, ob sie das Gesetz zurückzieht oder nicht, wenn klar sei, ob diese Kleinstunternehmen ausgenommen werden oder nicht. In Ministerrat und Europaparlament wird indes bezweifelt, dass diese Version stimmt. Es sei schon nach der letzten Sitzung der Mitgliedstaaten zu dem Dossier am vergangenen Mittwoch klar gewesen, dass auch der Ministerrat Kleinstunternehmen vom Anwendungsbereich ausnehmen werde, sagen mehreren Diplomaten übereinstimmend.
Das Europaparlament habe diese von Anfang an nicht belasten wollen. Es sei also ohnehin alles darauf hinausgelaufen, dass sich Parlament und Ministerrat in den abschließenden Verhandlungen auf eine Ausnahme für Kleinstunternehmen einigen würden. Es sei deshalb unnötig für die Kommission, das Gesetz zurückzuziehen. Wie es nun weitergeht, ist offen. Im Ministerrat übernimmt Anfang Juli Dänemark die Geschäfte. Das war von Anfang gegen den Vorschlag.
Quelle: F.A.Z.