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Mehrheit der EU-Staaten ist für Social-Media-Verbot für Kinder

Die EU steht vor einem neuen, weitgehenden und kontroversen Schritt zum Schutz von Kindern im digitalen Raum. Unter Führung der dänischen EU-Ratspräsidentschaft hat eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten Unterstützung für die Einführung eines digitalen Mündigkeitsalters auf EU-Ebene signalisiert. Ziel ist es, den Zugang Minderjähriger zu Social-Media-Plattformen und bestimmten Apps zu beschränken. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat dazu eine Grenze von 15 Jahren ins Spiel gebracht.  

Bei einem informellen Ratstreffen in Horsens an der Ostküste Jütlands unterzeichneten die anwesenden Minister und Staatssekretäre eine Erklärung zur Gestaltung einer sicheren Online-Welt für Minderjährige. Fast alle EU-Länder unterzeichneten das Papier, ebenso wie Norwegen und Island. Nur zwei Mitgliedstaaten – Estland und Belgien – lehnten eine Unterschrift ab. Für Deutschland unterzeichnete Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) die dänische Vorlage.

"Minderjährige sind in der Online-Welt großen Gefahren und Risiken ausgesetzt", heißt es in der Jütland-Erklärung. Sie verbrächten "immer mehr Zeit vor dem Bildschirm, anstatt aktiv mit Freunden, Familie und der Offline-Welt um sie herum zu interagieren."  Manipulative Designmuster, sog. Dark Patterns, machten den Nachwuchs süchtig. Kinder liefen so täglich Gefahr, "illegalen, schädlichen und extremistischen Inhalten zu begegnen". Zudem seien sie vor allem in sozialen Netzwerken unangemessenen Kontakten ausgesetzt

Estland schwört auf digitale Bildung

"In der Offline-Welt sind Altersprüfungen bei altersbeschränkten Waren und Dienstleistungen Standard", betonen die Minister. "Daher ist es vernünftig, ähnliche Sicherheitsvorkehrungen auch online zu erwarten, wo die Risiken – insbesondere für Minderjährige – erheblich und gut dokumentiert sind." Ohne eine "ordnungsgemäße und vertrauenswürdige Altersüberprüfung" sei es schwierig zu verhindern, dass etwa "soziale Medien Minderjährige mit Inhalten und Funktionen ansprechen, die für Erwachsene konzipiert sind".

"Technisch machen wir bereits große Fortschritte", meinen die Unterzeichner. So könnten kommende Altersverifizierungs-Apps und die europäische digitale Brieftasche für eine elektronische Identität (EUDI) "allgemein verfügbare, interoperable, nahtlose und datenschutzfreundliche Möglichkeiten" zur Alterskontrolle bieten. Daneben sei es nötig, "ein Höchstmaß an Datenschutz, Sicherheit und Schutz für Minderjährige 'by design' und 'by default' zu gewährleisten". Entsprechende Funktionen sollen also standardmäßig in die Technik integriert und voreingestellt werden. Zudem sollen laut den Ministern Dark Patterns und andere schädliche Funktionen wie Lootboxen in Videospielen und Mikrotransaktionen besser reguliert werden.

Die estnische Ministerin für Justiz und Digitales, Liisa-Ly Pakosta, begründete ihr Nein damit, dass eine Informationsgesellschaft junge Menschen aktiv einbeziehen müsse. Sie baut demnach auf die Durchsetzung bestehender Regeln wie der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO. Diese sieht bereits eine Altersgrenze von 13 Jahren für die Verarbeitung persönlicher Informationen vor, die national erhöht werden kann.

Belgien und Niederlande mit Vorbehalten

Belgien verweigerte die Unterschrift, weil die Region Flandern ein Veto einlegte, wie die Ministerin für Verwaltungsmodernisierung, Vanessa Matz, mitteilte. Die Anwesenheit des EU-Mitglieds bei dem Treffen zeige aber die Entschlossenheit des Landes, sich für ein sichereres Internet einzusetzen.

Auch die Niederlande äußerten Vorbehalte. Digitalisierungsminister Eddie bezeichnete Altersverifikationssysteme (AVS) als aufdringliche Maßnahme, deren Anwendung stets verhältnismäßig sein müsse. Eine Altersprüfung sei eher bei Produkten mit nachgewiesenem Schaden für Kinder und gesetzlichen Altersbeschränkungen wie Alkohol, Tabak oder Online-Glücksspiel zu rechtfertigen.

Die Debatte über einschlägige EU-weite Maßnahmen hat sich in jüngster Zeit verschärft. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich nachdrücklich für strengere Regeln aus und berief ein Expertengremium ein, um die Umsetzbarkeit eines Social-Media-Verbots zu prüfen. Rechtsexperten sind sich jedoch einig, dass die Festlegung von Altersbeschränkungen in der Zuständigkeit der nationalen Regierungen liegt, nicht bei der EU. 

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