Messen blicken mit Spannung auf geoökonomische Entwicklung
Tendenz und Tenor der zurückliegenden DACH-Messefachtagung sind positiv: „Wir sind zurück im Markt, liegen über dem Level von 2018 und damit nur noch leicht unter dem Spitzenergebnis von 2019, dem letzten Geschäftsjahr vor Corona“, sagt Henning Könicke, Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender des FAMA, Fachverband Messen und Ausstellungen, zum Auftakt der DACH-Messefachtagung in Berlin. Mehr als 150 Teilnehmende diskutierten auf der zweitägigen Tagung aktuelle Entwicklungen im Messegeschäft. Bereits zum dritten Mal fand das Branchentreffen in Kooperation der drei nationalen Verbände FAMA, Messen Austria und Swiss LiveCom Association Expo Event statt.
Trotz aller Zuversicht wurde eines deutlich: Der weltweite Messemarkt befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. KI, Big Data und digitale Formate sind ein Faktor. Als weitaus gra- vierender könnte sich die geoökonomische Entwicklung erweisen, die von Abgrenzung und Konfrontation geprägt ist. Damit käme die Globalisierung, seit den 1990er Jahren zentraler Motor des weltweit wachsenden Messemarktes, auf internationaler Ebene ins Stocken – speziell für internationale Fachmessen könnte das zur zentralen Herausforderung werden.
Messeplatz Deutschland weltweit vorne
Die deutschen Messeunternehmen sind erfolgsverwöhnt. Das spiegelt sich auch in den Marktdaten wider, die der AUMA als Dachverband der deutschen Messewirtschaft jährlich vor dem Start der Messefachtagung veröffentlicht. Insgesamt 2,46 Millionen Messegäste aus dem Ausland zählt der Berliner Verband für das zurückliegende Jahr – mehr als in jedem anderen Messeland der Welt. Ganz vorn in der Nationenwertung: die Niederlande, dahinter Italien, Österreich, die Schweiz und China. Allein aus dem Reich der Mitte machten sich im zurückliegenden Jahr 120.000 Besucher auf die Reise nach Deutschland. Das sind deutlich mehr als aus den USA: Weniger als 3,5 Prozent aller internationalen Messebesucher in Deutschland kommen aus dem Land, das eigentlich immer First sein will.
Verlangsamung oder Spurwechsel: Die neue Dynamik der Geoökonomie
Für Dr. Andreas Goldthau, Professor an der Universität Erfurt und Di- rektor der Willy Brandt School of Public Policy, ist das wenig überra- schend. Er forscht seit geraumer Zeit zur Geoökonomie. Auf EU- Ebene ist er ein gefragter Sachverständiger. Was er beobachtet, ist seit Jahren ein Prozess, der sich als zunehmende kontinentale Selbs- treferenzialität bezeichnen lässt: „Die Weltwirtschaft wird sich stärker regionalisieren, Handel unter Gleichgesinnten tritt in den Vorder- grund, und Lieferketten werden zunehmend auf politisch oder wirt- schaftlich verbündete Länder ausgerichtet“, sagt Goldthau. Aus seiner Sicht ein Prozess, der in drei Phasen verläuft – von der Globalisierung bis 2008, der darauffolgenden „Slowbalisierung“ bis 2018 und der ak-tuell zunehmenden Wirksamkeit der Geoökonomie. Sie sei, so Goldt- hau, unter anderem gekennzeichnet durch die systematische Abgren- zung von Märkten, dem Aufbau von Zoll- und Handelshemmnissen und dem Rückgang internationaler Handelsvolumen: „Dies wird auch im Messegeschäft sichtbar werden. Zu erwarten ist, dass sich die Weltwirtschaft an den zentralen Machtsphären ausrichtet – China, USA und in einigen Bereichen auch Europa.“ Wer in diesen Weltregi- onen mit entsprechenden Messe-Brands operiert, wird weitaus flexib- ler agieren können.