Stiftung Warentest bewertet Temu und Shein
Eine Halskette für 87 Cent, ein USB-Ladegerät für 2,51 Euro – die meisten Waren auf chinesischen Online-Marktplätzen Temu und Shein sind unglaublich billig. Das lockt viele Käuferinnen und Käufer aus Deutschland und ganz Europa an. So gelangen massenweise Billigprodukte aus China nach Europa. Laut EU-Kommission kamen im vergangenen Jahr rund 4,6 Milliarden Pakete mit geringem Warenwert von außerhalb der EU, also etwa 12 Millionen pro Tag. Das sind doppelt so viele wie 2023 und etwa dreimal so viele wie 2022.
Die Tester wollten wissen, ob diese Produkte wirklich Schnäppchen sind, sich also trotz ihres niedrigen Preises sicher nutzen lassen und den rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union entsprechen. Gemeinsam mit Verbraucherorganisationen aus Belgien und Dänemark kauften sie im Internet auf Temu und Shein einen ganzen Warenberg ein: Schmuck, Babyspielzeug und USB-Ladegeräte fürs Smartphone oder Tablet – insgesamt 162 Artikel für rund 690 Euro. Alle geprüften Produkte stammen von Drittanbietern, die eine der beiden Onlinefirmen als Verkaufsplattform nutzen.
Vieles nicht konform mit EU-Anforderungen
Mehr als zwei Drittel der Produkte im Test erfüllten nicht die EU-Sicherheitsanforderungen. Etwa ein Viertel wurde von den Testern als potenziell gefährlich eingestuft. Diese besonders kritischen Fälle werden in einer Tabelle mit Artikelnummern veröffentlicht, so dass Käuferinnen und Käufer nachvollziehen können, ob ein von ihnen gekauftes Produkt betroffen ist.
Bestellt wurde auf Temu und Shein. Die anonymen Testkäufer wählten nach dem Zufallsprinzip aus der Liste der beliebtesten Artikel aus: 27 Halsketten, 27 Spielzeuge, 27 USB-Ladegeräte pro Plattform. Anschließend wurde im Labor die elektrische und mechanische Sicherheit geprüft, ob Schadstoffe enthalten und die Produkte korrekt gekennzeichnet sind.
Baby-Spielzeug: Zu viel Formaldehyd in bunten Tüchern
Beißring, Rassel, Badetier – die Spielzeuge für Kinder unter drei Jahren im Test hatten teilweise kleinere Mängel, zum Beispiel ein fehlendes CE-Zeichen, teilweise größere Mängel: Etliche bestanden aus Kleinteilen, hatten Aufkleber oder Saugnäpfe, die sich leicht lösen und verschlucken lassen. Dann besteht Erstickungsgefahr.
Vier Quietschbälle eines Bälle-Sets von Shein waren zu laut. Es wurde eine Spitzenlautstärke von bis zu rund 115 Dezibel gemessen, erlaubt sind maximal 110 Dezibel. Auf den ersten Blick mag die Überschreitung gering wirken, zwischen 110 und 115 Dezibel besteht aber ein erheblicher Unterschied: Das menschliche Ohr nimmt eine Erhöhung des Schalldruckpegels um 10 Dezibel als Verdopplung der Lautstärke wahr. Zum Vergleich: Lärm auf einer dicht befahrenen Hauptverkehrsstraße entspricht 85 Dezibel.
Zu viel Formaldehyd enthielten Stofftücher aus einer Spielzeug-Tücherbox von Temu. Die Chemikalie wird Textilien zugesetzt, unter anderem weil damit Stoff weniger knittert. In geringer Konzentration ist Formaldehyd erlaubt, zu viel davon kann Kontaktallergien verursachen. Deshalb sind die EU-Grenzwerte niedrig: Für Kinder unter 36 Monaten liegt der Wert bei 30 Milligramm je Kilogramm Materialgewicht. In zwei Tüchern fanden wir jedoch 164 beziehungsweise 143 Milligramm Formaldehyd je Kilogramm Materialgewicht.
Spielzeug mit mangelhafter Kennzeichnung
Fast alle Spielzeuge waren schlecht gekennzeichnet, zum Beispiel fehlten Warnhinweise oder die Hinweise waren irreführend. Ein CE-Zeichen trugen zwar alle Spielzeuge und USB-Ladegeräte, allerdings nicht immer an der vorgeschriebenen Stelle – etwa nur auf der Verpackung und nicht direkt auf dem Spielzeug. Das Zeichen ist in der Europäischen Union für bestimmte Produkte Pflicht. Damit erklärt der Hersteller, dass er sich an die gesetzlichen Vorschriften hält. Nachweisen muss er es nicht.
Eine mangelhafte Kennzeichnung gefährdet oft nicht unmittelbar Leib und Leben, sagt aber etwas darüber aus, wie genau es Hersteller mit der Produktsicherheit nehmen. In der EU gelten hohe Sicherheitsstandards zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Hersteller, die sich an die Vorgaben halten, müssen viele Auflagen erfüllen – das macht die Produktentwicklung und Herstellung aufwendig und kostet Geld.
So reagierten Temu und Shein auf den Test
Stiftung Warentest hat Temu und Shein mit den Testergebnissen konfrontiert. Seit letztem Jahr gilt in der EU der Digital Services Act (DSA). Das Gesetz verpflichtet Online-Plattformen, gegen nicht-EU-konforme Produkte von Drittverkäufern auf ihren Webseiten vorzugehen.
Diese Untersuchung sollte zeigen, ob Temu und Shein ihren rechtlichen Pflichten nachkommen. Deshalb wurden ausschließlich Waren von Drittanbietern bestellt. Bei Temu wäre anderes gar nicht möglich gewesen: Die Plattform arbeitet ausschließlich als Marktplatz für andere Unternehmen.
Nach dem Test gab sich Stiftung Warentest als Verbraucherorganisation zu erkennen und wies Temu und Shein schriftlich auf die Produkte mit schwerwiegenden Mängeln hin. Beide Anbieter meldeten sich sofort und nahmen sämtliche kritische Artikel innerhalb weniger Tage von ihren Plattformen. Zusätzlich warnte Shein Käuferinnen und Käufer der schadstoffbelasteten Halsketten sowie bestimmter USB-Ladegeräte und Spielzeuge per E-Mail. Dabei wurde der Online-Händler sehr deutlich: „Dieses Produkt ist illegal“, schreibt er und weiter: „Als Vorsichtsmaßnahme empfehlen wir, dieses Produkt nicht zu verwenden.“
Quelle: Stiftung Warentest