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Studie Welthandel: Zölle fast verdoppelt - Lieferketten im Umbruch

Die weltweiten Lieferketten haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Der Welthandel befindet sich in einem anhaltenden Umbruch, getrieben durch Geopolitik, Protektionismus und den Auswirkungen des Klimawandels. In seiner neuesten Studie analysiert der weltweit führende Kreditversicherer Allianz Trade die Einflussfaktoren sowie Chancen und Risiken für Lieferketten, Handelsdrehkreuze und Transportwege.

"Die Lieferketten von Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert: Resilienz kommt inzwischen vor Effizienz", sagt Dr. Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade. "Unternehmen haben auf die harte Tour gelernt, dass Waren besser später als gar nicht ankommen; längere Transportwege sind inzwischen häufig das kleinere Übel."

Der Handel zwischen geopolitisch ähnlich ausgerichteten Volkswirtschaften gewinnt im Kontext des Handelskriegs, zunehmender Spannungen und wachsenden Protektionismus an Bedeutung. "Die politische Ausrichtung spielt im Welthandel inzwischen eine sehr große Rolle", sagt Gröschl. “Steigt die geopolitischen Distanz um zehn Prozent, führt dies zu einem Rückgang des bilateralen Handels um etwa - zwei Prozent. Das bedeutet auch: Lieferketten müssen sich anpassen.” Diese geopolitische Fragmentierung des Welthandels fällt mit einem Wiederaufleben des Protektionismus zusammen.

Protektionismus auf Höhenflug

"Allein im vergangenen Jahr hat sich das durch Handelsbeschränkungen betroffene Handelsvolumen fast verdreifacht und betrifft Waren im Wert von schätzungsweise 2,7 Billionen US-Dollar. Das sind fast 20 Prozent der weltweiten Importe", sagt Gröschl. "Haupttreiber sind vor allem neu eingeführte Importzölle. Bis Mitte Oktober wurden 309 neue Zölle eingeführt, das sind fast doppelt so viele wie im Gesamtjahr 2024. Dies fördert zunehmendes Friendshoring und Regionalisierung."

Deutschland ist als Exportnation besonders stark betroffen: Während im Jahr 2023 nur rund zwei Prozent der deutschen Exporte von neuen Zollmaßnahmen betroffen waren, stieg dieser Anteil im Jahr 2024 bereits auf sieben Prozent. Mitte November dieses Jahres lag der Anteil bei rund 25 Prozent der deutschen Ausfuhren.

Mehr als die Hälfte des von Allianz Trade erwarteten weltweiten Handelswachstums von lediglich zwei Prozent im Jahr 2025 geht auf eine Umleitung von US-Importen weg von China, eine Vorverlagerung von Lieferungen vor der Einführung höherer US-Zölle sowie eine stärkere Diversifizierung des Handels zurück. Für 2026 und 2027 erwarten die Allianz Trade Volkswirte eine Verlangsamung des globalen Handels mit Waren und Dienstleistungen auf +0,6  Prozent bzw. +1,8 Prozent. Dies verdeutlicht die verzögerten Auswirkungen des Handelskriegs und die Herausforderungen, denen sich die derzeitige Handelsinfrastruktur stellen muss.

Handelsströme verlagern sich 

In den letzten beiden Jahrzehnten haben sich die weltweiten Handelsströme stärker in Richtung befreundeter oder geografisch naher Länder verlagert (Friendshoring und Regionalisierung). Das zeigt sich auch in den Zahlen: In mehreren Regionen hat der Handel innerhalb der eigenen Region im Verhältnis zur gesamten Weltwirtschaft deutlich zugenommen – besonders stark in den asiatischen Entwicklungsländern. Der Handel innerhalb Asiens ist dabei besonders stark gewachsen, um +337 Prozent. Aber auch der Handel asiatischer Länder (hautsächlich China) mit anderen Regionen hat zugenommen.

Klimawandel Gefahr für maritime Drehkreuze

Neben Geopolitik und Protektionismus spielt aber auch der Klimawandel im globalen Handel eine immer größere Rolle. "Das Risiko politischer oder klimatischer Schocks für internationale Handels-Drehkreuze wächst", sagt Lluis Dalmau, Volkswirt bei Allianz Trade. “Der Suez- und der Panamakanal führen die Liste der Hochrisiko-Engpässe an: Kapazitäten und Alternativen sind begrenzt, politische Risiken in fast allen Meeresengen sehr hoch und die klimatischen Risiken steigen fast überall – für die Häfen selbst aber aufgrund der niedrigen Wasserständen auch in der Binnenschifffahrt, allen voran am Jangtse in China als wichtigen Handelsstrom, aber beispielsweise auch an Donau und Rhein in Deutschland.”
Niedrige Wasserstände könnten auch für den Hamburger Hafen perspektivisch ein klimatisches Risiko darstellen – als Tidehafen ist er besonders stark von Wasserstand und Gezeiten abhängig, zusätzlich zu möglichen Sturmfluten.

Asiatische Drehkreuze sind leistungsfähig und zuverlässig, stehen aber unter wachsendem politischen Druck. Europäische Häfen punkten mit starker Infrastruktur, sind jedoch vor allem im Süden zunehmend klimatischen Risiken ausgesetzt. Drehkreuze vom Nahen Osten bis Südafrika sichern Effizienz, bleiben aber politisch und ökologisch verwundbar. In Amerika ist die Zuverlässigkeit hoch, doch die Kapazitäten an Atlantik- und Golfküste werden knapper.

VAE, Vietnam und Malaysia Handelsdrehkreuze der Zukunft

Inmitten all dieser bereits bestehenden Veränderungen zeichnen neue Handels- und Produktionszentren die Weltkarte neu. Das aktualisierte Allianz Trade Ranking der Handelszentren der nächsten Generation zeigt, dass sich die Volkswirtschaften in drei Ebenen – multimodal, logistisch und intermediär – neu positionieren, da Zölle, Sanktionen und Veränderungen in der Lieferkette die globalen Ströme neu gestalten.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (Platz 1) und Malaysia (Platz 3) führen als konsolidierte multimodale Kraftzentren, gestützt durch die gute Hafeninfrastruktur von Häfen wie Jebel Ali und Port Klang, die Asien, den Nahen Osten und Europa verbinden. Vietnam springt auf Platz 2, getragen von steigenden Exporten und einem neuen Zollabkommen mit den USA, das seine Rolle im Zentrum der Umverteilung der Produktion in Asien festigt. Saudi-Arabien (Platz 4) verzeichnet mit einem Sprung um 11 Plätze den stärksten Anstieg, da niedrigere Zölle (~4 %) und wachsende Nicht-Öl-Exporte sein Handelspotenzial erweitern. 

Die vollständige Studie