
Führen die US-Zölle zu Produktionsverlagerungen?
Mit fundierten Entscheidungen den Wandel steuern.
Von Daniele Caroli
Weltweit muss sich die Industrie mit den unvorhersehbaren und sich ständig ändernden Zöllen herumschlagen, die die US-Regierung verhängt. Insbesondere die Anbieter von Spielwaren für den US-Markt sind auf der Suche nach alternativen Lieferquellen, um so ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Laut dem US-Spielwarenverband stammen derzeit 77% der in den Vereinigten Staaten verkauften Spielzeugartikel aus China. Allerdings haben in den letzten Jahren auch andere Produktionsstandorte wie z.B. Vietnam, Indien, Indonesien und Thailand zugelegt, wo versucht wird, mithilfe billiger Arbeitskräfte für das margenschwache Toy-Geschäft attraktiv zu sein. Man war in diesen Ländern dann zunächst auch voller Hoffnung, als die US-Zölle gegen China in einem ersten Schritt von 10% auf 30% und in einem zweiten Schritt auf 145% angehoben wurden, um dann wieder zeitweilig auf 30% gesenkt zu werden. Aber die Freude war nur von kurzer Dauer, denn auch diese Länder bekamen hohe Zölle aufgebrummt.
China hat ein immenses Produktions-Knowhow

Es gibt gute Gründe dafür, dass so ein großer Teil der weltweiten Spielzeugproduktion in China beheimatet ist. Der Präsident und Geschäftsführer des amerikanischen Spielwarenverbands Greg Ahearn erläutert, dass China neben billigen Arbeitskräften „besonders viel Fertigungsexpertise gepaart mit ethischen Herstellungsprozessen in den Fabriken“ bietet. Schließlich müssen Toys und Games, die in den USA vertrieben werden sollen, strenge Sicherheitsauflagen erfüllen, weil sie ja hauptsächlich von Kindern genutzt werden. Chinesische Produzenten kennen diese Qualitätsstandards sehr gut, weil sie schon seit Jahrzehnten für US-Unternehmen produzieren. Darüber hinaus gibt es in anderen Ländern häufig finanzielle Unwägbarkeiten und auch die Logistik klappt dort nicht immer.
In den USA gibt es weder die erforderliche Infrastruktur noch ausreichend Arbeitskräfte
Die US-Regierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, Produktion und Arbeitsplätze wieder ins Land zurückzuholen. Was die Produktion von Spielwaren anbelangt, dürfte dieser Plan nach Einschätzungen von Branchenexperten aber eher Wunschdenken sein, denn weder Endverpackungen noch Materialien wie Federn, Motoren und Plastikkomponenten „können überhaupt in den USA gefertigt werden“, erklärt Ahearn. Devin Shanahan, Mitgründer der Marke Funtazma aus Los Angeles, schreibt dazu in den Global Toy News: „Wir haben Teile unseres Produktionsprozesses in die USA verlegt. Aber das sind repetitive Niedriglohnjobs, für die man kaum Leute findet. Alle sagen, dass sie Arbeitsplätze ins Land zurückholen wollen, aber es gibt hier weder die erforderliche Infrastruktur noch ausreichend Arbeitskräfte für diese Art von Produktion.“
Eine Produktionsverlagerung aus China in andere Länder ist gar nicht so einfach

Es dürfte nach Einschätzungen von Ökonomen generell schwierig werden, Produktionsstandorte aus China in andere Länder zu migrieren. Ein Beispiel dafür hat Reuters beschrieben: Huntar, ein in US-Besitz befindliches Produktionsunternehmen mit Sitz in China, stellt Spielwaren für Abnehmer in den USA, Kanada und Europa her, unter anderem Lernspiele und Leselabyrinthe. Beim Versuch, die Produktion aus China abzuziehen, hat man schnell erkannt, dass es in anderen Ländern keine geeigneten Produktionsanlagen und auch nicht genügend Personal mit der erforderlichen Erfahrung gibt. Hinzu kommt, dass man für die Produktion schweres Gerät braucht, das sich nicht so einfach von A nach B verfrachten lässt und dessen Ersatz Millionen kosten würde. Und last but not least hat man gar keine Zeit, das alles zu organisieren, weil die laufende Produktion ja immer weitergehen muss, damit weiter Geld verdient wird. Huntar-CEO Jason Cheung, der einen US-Pass besitzt und in San Francisco geboren wurde, wollte die Produktion nach Vietnam verlagern. Aber dort gab es nur wenige Fabriken, die überhaupt genügend Platz gehabt hätten. Und selbst wenn er einen passenden Standort gefunden hätte, hätte er neue Mitarbeiter erst schulen und die erforderlichen Sicherheits- und Qualitätsprüfungen durchlaufen müssen, was schnell mal mehrere Monate in Anspruch nimmt. Außerdem produziert der chinesische Standort seinen eigenen Solarstrom, um trotz geringer Margen profitabel zu bleiben. Durch moderne Belüftungs- und Ventilationstechnik und spezielle Abwassersysteme können Umweltrisiken minimiert werden, die durch die Verwendung von Spritzlacken und Chemikalien in der Spielzeugproduktion entstehen. In der Fabrik in China stehen außerdem über dreißig Spritzgussmaschinen, die alle mehrere Tonnen schwer sind und kaum verlagert werden könnten. Sie zu ersetzen, würde mehr als eine Million Dollar kosten.
Produktion in angrenzenden Ländern in Zentralamerika
Im Juli hatte das Programm für ethisch verantwortliche Produktionsketten (ESCP) ein Webinar organisiert, das Chancen für Nearshoring, also die Verlagerung der Produktion ins nahe gelegene Ausland, beleuchten sollte. In Bezug auf die Spielwarenproduktion ging es vor allem um die mittelamerikanischen Länder Guatemala, Honduras und El Salvador. Vertreter von Investitionsausschüssen dieser Länder und Betreiber von Produktionsstätten für Plastik- und Holzspielzeug, Puzzles, Brettspiele und andere Spielwaren sprachen über die Chancen, die sich aus der geografischen Nähe zum US-Markt, der guten Logistik, der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und der Einhaltung von Umweltstandards sowie geltenden Normen und Gesetzen ergeben. Auch wenn die Zollsätze für diese Länder aufgrund des zentralamerikanischen Freihandelsabkommens nicht sehr hoch sind, könnte man sich als Investor trotzdem die Frage stellen, ob das in Zukunft auch so bleiben wird, wenn das Ziel der US-Regierung ja gar nicht Nearshoring, sondern Reshoring heißt. Ein anderer etablierter Produktionsstandort in Lateinamerika ist Brasilien, wo sich in Laranjal Paulista in der Nähe von São Paulo ein großer Hub für die Produktion von Spielzeug befindet. Aber auch dort hat die US-Zollpolitik deutliche Spuren hinterlassen.
Das Programm für ethisch verantwortliche Produktionsketten ESCP hat ein Webinar veranstaltet, bei dem Chancen für die Produktion von Toys in Honduras, Guatemala und El Salvador aufgezeigt wurden. Der Titel des Seminars lautet: Nearshoring opportunities in the Northern Triangle of Central America
Nützliche Plattform des ESCP zum Austausch von Informationen
Das ESCP kann auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich verantwortliches Sourcing von Spielzeug zurückblicken und hat in diesem Zeitraum zahlreiche Standorte in mehr als 50 Ländern bewertet und zertifiziert. Die Daten aus dem Jahr 2025 zeigen, dass sich auch immer mehr Hersteller aus Schwellenländern dem Programm anschließen. In Vietnam betrug der Anstieg 10%, in Indonesien sogar 28%. Die Funktion Marketplace auf der ESCP-Plattform Connect ermöglicht es Einkäufern und Lieferanten aus der Spielwarenbranche, sich effektiv über Beschaffungsanforderungen und vorhandene Produktionskapazitäten auszutauschen. Einkäufer können ihre Anforderungen direkt an alle durch ESCP-zertifizierten Produktionsstätten übermitteln. Dadurch wird der Qualifikations- und Onboardingprozess vereinfacht. Alle ESCP-zertifizierten Lieferanten halten stets sämtliche Standards im Bereich Soziales und EHS (Umwelt, Gesundheit und Sicherheit) ein.
Marketplace ist ein Forum, in dem sich Einkäufer und Lieferanten über zu beachtende Vorgaben und Produktionskapazitäten austauschen können. Die Connect-Plattform des ESCP wurde im Juli 2025 ins Leben gerufen.
Mehr über das Forum finden Sie unter Connect Platform -Marketplace
Über den Autor
Der italienische Journalist Daniele Caroli ist seit 1994 Herausgeber und Redakteur von internationalen Fachzeitschriften für Baby- und Kleinkindartikel sowie Spielwaren. Er war Vorsitzender der Verbände BCMI (Baby Care Magazines International) und ITMA (International Toy Magazines Association). Davor war er als Journalist für Musik- und Verbraucherelektronik-Magazine tätig.


