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Begeisterung fürs Brückenbauen

Große Konstruktionen im kleinen Modell

Von Peter Thomas

Brücken sind faszinierende Bauwerke und Schlüsselelemente aller Formen der Mobilität: Sie sind spektakuläre Meisterbauten für Verkehrsströme oder nüchterne Straßenquerungen. Ihre Vielfalt hinsichtlich Materialien, Konstruktion und Ästhetik ist immens. Mit Modellen und Konstruktionsspielzeugen wird der Brückenbau im kleinen Maßstab erlebbar. 

Brücken Konstruktion

Vom Jahr der Brücken sprachen internationale Experten 2024 angesichts der weltweiten Konjunktur für Neubauten und Sanierungen dieser Verkehrsbauwerke. Dieser Trend dürfte auch in den kommenden Jahren anhalten. Denn allein für die USA führte die American Road and Transportation Builders Association in ihrem 2022 Bridge Report den immensen Bedarf von 78.800 Neubauten und 224.000 Sanierungen auf. Erhebliche Umfänge für dringende Brückenarbeiten im hoch verdichteten Verkehrsnetz Europas schilderte auch der europäische Bauindustrieverband FIEC im Vorfeld der Konferenz Eurobridge 2023

Die Konsequenz ist klar: Brückenplaner und Brückenbauer werden dringend gesucht! Umso wichtiger also, die Begeisterung für diese faszinierenden Konstruktionen und das Wissen darum zu stärken. Eine Basis dafür können Brücken in Spielzeug und Modellbau sein. Denn die Vielfalt der Materialien und Bauweisen ist hier mindestens so groß wie im Vorbild, wo Brücken aus Stein, Holz, Stahl, Beton, Stahlseilen und anderen Materialien entstehen. 

Leonardos Brücke

Mit Baukästen oder Funktionsmodellen lassen sich sogar die Prinzipien der Statik verstehen. Dafür braucht es gar keine komplexen Systeme: Eindrucksvoll sind zum Beispiel die vielen verschiedenen Bausätze aus kleinen Holzleisten, mit denen die berühmte Leonardo-Brücke gebaut werden kann. Dabei handelt es sich um eine Gewebebogenbrücke, deren Balken allein durch Reibung und Eigengewicht miteinander verbunden werden. Multitalent Leonardo da Vinci hat das Bauprinzip zwar vermutlich nicht selbst erfunden, sondern aus seinen Studien historischer Texte abgeleitet. Genial ist die Konstruktion trotzdem. Und als Lernspielzeug mit einiger Anforderung an Geduld und Koordinationsvermögen ist die seinen Namen tragende Leonardo-Brücke ein Spielzeug-Klassiker.

Die ganze Bandbreite des Brückenbaus

Schlossbachbrücke Modell

Bogenbrücke, Hängebrücke, Schrägseilbrücke oder Kastenbrücke? Klapp-, Hub- oder Drehbrücke? Im Modellbau spiegelt sich die ganze Bandbreite des Brückenbaus. Insbesondere auf Modelleisenbahnanlagen kommen komplexe Brückenkonstruktionen als zentrale Elemente hervorragend zur Geltung. 

Wobei längst nicht jeder H0-Fan genug Platz haben dürfte für komplette Nachbildungen von Ikonen wie zum Beispiel der Müngstener Brücke. Im Sortiment von Felix Hack gibt es diese im Original 1897 eröffnete Querung des Tals der Wupper als 1,60 Meter langes und 26 Zentimeter hohes Modell. Aber die einzelnen Bestandteile wie das eindrucksvolle Mittelteil, genannt Hochbogenbrücke können auch einzeln erworben werden. „Von Anfang an wurde darauf gesetzt, auch einzelne Komponenten der Müngstener Brücke zu vermarkten“, sagt Hack. 

Hack Brückensystem

Seine filigranen Konstruktionen aus feinen Weißblechprofilen sind handverlötet, die ersten zehn Brückenmodelle kamen 2004 auf den Markt. Neben der Müngstener Brücke gibt es weitere Modelle nach konkretem Vorbild im Programm, unter anderem die Glienicker Brücke aus Berlin und die George-Washington-Brücke aus New York. „Weitere Highlights werden folgen“, verspricht der Brückenbauer aus dem Schwäbischen.

Blech als Baumaterial

Märklin Verpackung

Metall als Werkstoff für Modelle echter Metallbrücken hat eine lange Tradition. Bereits die Firma Richter brachte 1895 einen Brückenbaukasten heraus. Dieser ergänzte mit eisernen Teilen für Bogenbrücken das Sortiment der klassischen Ankersteine. Die Bausteine aus Kreide, Leinöl und Pigment werden bis heute nach historischem Rezept in Rudolstadt produziert. Blechbrücken spielten auch in der Modellbahn lange Zeit eine wichtige Rolle. Zum Beispiel bei Märklin, wo die markante Bogenbrücke 467/2 mit integriertem Dreileiter-Gleis im Katalog von 1949 den Höhepunkt des Sortiments „Der modellmäßige Brückenbau“ bildete. Sie veränderte sich in den nächsten 20 Jahren nur wenig: Die Brücke 7163 mit Punktkontakten aus dem Katalog von 1965 ist als direkte Verwandte sofort zu erkennen.  Heute ist der Märklin-Brückenklassiker antiquarisch zu bekommen. Dem Einsatz in einer Spielbahn mit M-Gleisen und analogem Rollmaterial steht nichts entgegen – obwohl die Pfeiler der 1950er- und 1960er-Jahre aus thermoplastischem Kunststoff die Zeitläufte meist schlechter überdauert haben als die Brückenkörper aus Blech. Doch passgenaue moderne Nachfertigungen per 3-D-Druck sind heute online erhältlich, sie müssen lediglich passend nachlackiert werden.

Kunststoff und Karton

Längst haben sich Brücken für die Modellbahn hinsichtlich des Materials von ihren Vorbildern emanzipiert. Vor allem Bausätze und Fertigmodelle aus Kunststoff haben das Segment viele Jahre lang geprägt. Auch Kartonmodelle gab es auch passend für die verschiedenen Maßstäbe. Seit dem Aufkommen der Laser-Cut-Technik spielt dieses Material eine wichtigere Rolle. 

So zum Beispiel im Sortiment von Noch, wo Laser-Cut-Brücken aus Spezialkarton seit 2009 im Angebot sind. Das erfolgreichste Modell des Sortiments ist die Kastenbrücke 67029 für die Nenngröße H0. Sie wird wie alle Laser-Cut-Bausätze aus zahlreichen feinen Teilen mit Holzleim zusammengebaut. Die Produktionsmethode erlaubt es, selbst im Maßstab 1:87 sehr feine Details wie die typischen Nietverbindung des Eisenfachwerks nachzubilden.

Brücken als Maschinen

Auf den ersten Blick scheinen Brücken statische Bauwerke zu sein. Doch sie sind ständig in Bewegung, ausgelöst durch die dynamischen Kräfte des Verkehrs und der Windlast sowie durch Veränderungen der Temperatur. Deshalb werden Brücken auf einer Seite flexibel gelagert, um insbesondere Längenveränderungen ausgleichen zu können. Der US-amerikanische Technikhistoriker Henry Petroski (1942 bis 2023, Professor für Technikgeschichte und Bauingenieurwesen an der Duke University in North Carolina) verglich Brückenkonstruktionen aus diesem Grund in seinem Buch To Forgive Design mit Maschinen.

Meccano Schwebefähre

Konstruktionsspielzeuge wie Metallbaukästen machen es möglich, viele der mechanischen und statischen Prinzipien des Brückenbaus nachzuvollziehen. Das gilt für unbewegliche Brücken, vor allem aber für Konstruktionen mit beweglichen Teilen. Beispiele dafür finden sich in den Bauanleitungen und Sortimenten der großen Hersteller im 20. Jahrhundert, von Meccano (Transporter Bridge, eine Hochbrücke mit Schwebefähre) bis Märklin (Aufzugsbrücke, eine Hubbrücke mit Seilmechanik). Der US-amerikanische Bildhauer Chris Burden (1946 bis 2015) übertrug sogar den Brückenmodellbau mit dem Metallbaukasten aus der Sphäre des Spielens und Lernens in die zeitgenössische Kunst. Seine um die Jahrtausendwende entstandenen Großmodelle aus Teilen von Erector und Meccano wurden weltweit in führenden Galerien und Museen ausgestellt.

Lego Rolling Bridge

Klapp-, Dreh- und Hubbrücken gehören zu den klassischen Formen von beweglichen Brücken. Sie lassen sich mit Baukastensystemen eindrucksvoll nachbilden. Das gilt auch für neue Kinetiken wie die 2004 eröffnete Rolling Bridge in London, die der 1970 geborene britische Architekt und Designer Thomas Heatherwick entworfen hat. Den hydraulischen Antrieb des Originals übernehmen dabei pneumatische Elemente, wie sie Fischertechnik und Lego Technic als Teil der jeweiligen Systeme anbieten.

Begeisterung für eine verbindende Technik

Brücken im Modell bauen, mit ihnen spielen, ihre Ästhetik bewundern: Wer das tut, versteht im Kleinen die Faszination dieser im Wortsinn verbindenden Technik im Großen. Das ist eine Chance, die sich bei der Förderung von MINT-Fähigkeiten nutzen lässt. Denn Brückenbau mit Modellen und Lernspielzeug macht nicht nur Freude, sondern kann auch wichtige Kompetenzen vermitteln. 

Spielwelt für Erwachsene

In jedem Technik-Freak steckt ein Kidult. Denn die Begeisterung für Modelle und technische Konstruktionen, weckt die Freude am Tüfteln. Das Ausprobieren und Experimentieren bilden die Trainingsgrundlage für Fortschritt und Forschung. 

Die Spielwarenmesse gibt einen Überblick über die verschiedenen Themenwelten, an denen Erwachsene sich begeistern.

Spielwarenmesse | Toys for Kidults

Über den Autor 

Geschichten über Technik und Menschen erzählen: Das fasziniert Peter Thomas, den Journalisten, Autor, Kulturwissenschaftler und Dozenten seit mehr als 30 Jahren. Technisches Spielzeug steht dabei immer wieder im Fokus, vom Baukasten bis zu interaktiven digitalen Lernspielzeugen. Nach Studium und Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität schreibt Peter Thomas für Tageszeitungen, Magazine und Unternehmenspublikationen im deutschen und englischen Sprachraum. Seine Schwerpunkte neben der Welt des Spiels sind Mobilitäts-, Sicherheits-, Energie- und Medizintechnik.

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