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Der Bücherwurm im Spielwarengeschäft

Das Traditionshaus Spielwaren Schweiger setzt auf Bücher

Von Sibylle Dorndorf

Der Bücherwurm heißt Klaus Müller und entstammt der fränkischen Spielwaren-Dynastie Schweiger. Der Inhaber des seit fast 130 Jahren bestehenden Nürnberger Traditionshauses führt das Geschäft zusammen mit seiner Frau Marion in vierter Generation. Das klingt nach Erfolg, aber, gibt Müller zu, es war und ist nicht immer ein Spaziergang. 

Bereits mit Mitte 20 übernahm er sein erstes eigenes Geschäft. Im Spielwaren Virnich in der Nürnberger Innenstadt ging er von Anfang an seinen eigenen Weg. Während sich sein Vater Adam Müller auf Modelleisenbahn und -zubehör spezialisierte, legte Klaus Müller im Virnich den Fokus auf Spielwaren, Spiele und Trendartikel. Als die große Modellbahnkrise einsetzte, war er mit seinem Sortiment auf der sicheren Seite. Das ist er heute noch – dank unternehmerischer Weitsicht und dem Gespür seiner Frau Marion für neue, noch wenig bekannte Marken und ausgesucht schöne, nachhaltige Produkte. Hidden Champions, die Kunden überraschen und begeistern, findet man mit schöner Regelmäßigkeit beim Schweiger. 

Spielwarenhandel mit Tradition

Spielwaren Schweiger ist seit fast 130 Jahren eine Institution in Nürnberg. Gegründet 1896, steht der Name für Qualität und eine breite Palette an Spielwaren, Schreibwaren, Schulbedarf und Büchern. Das Unternehmen überstand viele Herausforderungen, darunter den kompletten Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute bietet es neben traditionellem und trendigem Spielzeug auch eine gut sortierte Buchabteilung.

Einmal Buch, immer wieder Buch

Beim Thema Buch war allerdings Klaus Müller selbst die treibende Kraft. Heute noch verschlingt der bekennende Vielleser jedes Buch, das ins Sortiment aufgenommen wird. Die Buchabteilung, die bereits in den 80er Jahren fester Sortimentsbestandteil bei Spielwaren Virnich war, schloss er schweren Herzens in den Neunzigern. Zu groß war die Konkurrenz in der City geworden. Platzhirsche wie Thalia, Hugendubel und das Buchhaus Campe, das später von Thalia übernommen wurde, ließen ihn sein Sortiment neu überdenken. 

Als Spielwaren Schweiger 2003 an die Peripherie der Stadt, in die Eslarner Straße zog, wagten sich die Müllers wieder an das Thema Buch. Auslöser war eine namhafte Nürnberger Versicherungsgesellschaft, die an ihre Kunden zu Weihnachten Bücher verschenken wollte. Weil die Verlage die Versicherung nicht direkt belieferten, wandte diese sich hilfesuchend an Klaus und Marion Müller. 

Beim Schweiger gab es zu dieser Zeit wohl einzelne Buchinseln, wie Die 3 ??? aus dem Kosmos Verlag oder Was Ist Was von Tessloff. Beides unverzichtbare Must-haves im Spielwarenhandel. Auch der Loewe Verlag mit der beliebten Kinderbuchreihe Das magische Baumhaus war vertreten. 

Der Großauftrag der Versicherung jedoch ließ die alte Leidenschaft für das Thema Buch wieder aufflammen. Zu den angestammten Verlagen kamen zunächst Arena und Carlsen dazu, etwas später nahmen die Müllers ein Genre auf, das auch erwachsene Leserinnen und Leser ansprach: Die sogenannten All Age Bücher. 

Gelesen wird das ganze Jahr

„Wir haben die Abteilung relativ schnell immer wieder erweitert, weil sie so gut angenommen wurde an diesem Standort“, erinnert sich Klaus Müller. „Die Nachfrage nach Büchern war groß. Mittlerweile hatten wir uns ohnehin mit Schulbedarf, Schreibware und Ranzen breiter aufgestellt. Unser Kernsortiment blieb nach wie vor die Spielware, aber im arrondierenden Bereich begannen wir Neues zu probieren.“ Diese Risikobereitschaft zahlte sich aus. Bücher wurden zu einem zugkräftigen Ganzjahresartikel. „Das Schöne am Buch ist ja, dass es saisonal unabhängig verkauft wird. Im Sommer als Urlaubslektüre, im Herbst, weil man es sich zuhause gemütlich macht, im Advent, weil es diese wunderschönen Weihnachtsbücher gibt, mit denen man sich auf das Fest einstimmt“, so Marion Müller. Und je nachdem wie man als Händler das Thema Buch inszeniert, ist ein Kaufimpuls garantiert. „Wenn man Bücher in Themeninseln zusammen mit passenden Spielen oder Plüschartikeln präsentiert, bleiben die Kunden stehen und nehmen ein Buch mit, obwohl der Kauf nicht geplant war.“ Auch besondere Bücher oder wunderschöne mehrbändige Reihen wie „Die Duftapotheke“ von Anna Ruhe ziehen, bekräftigt sie. „Wir rüsten uns jetzt schon, wenn der vierte Teil von „Die Schule der magischen Tiere“ in die Kinos kommt. Die Erfolgsreihe von Margit Auer aus dem Carlsen Verlag können wir auch ohne Filmunterstützung so schnell gar nicht nachlegen wie sie abverkauft wird.“ 

Gute Beratung verkauft

Beim Spielwaren Schweiger wird noch beraten. Und zwar von geschultem Fachpersonal, das zum großen Teil schon lange Jahre zum festen Stamm gehört. Auch die Buchabteilung wird von einer Vollzeitkraft betreut. Wie im Buchhandel gibt es Leseempfehlungen auf den Büchertischen und Tipps für die passende Urlaubslektüre. Man tauscht sich untereinander regelmäßig aus und so entstehen Ideen für fantasievolle, sortimentsübergreifende Präsentationen. Sie sind das Geheimnis, wenn Buch und Spielware eine synergetische Koexistenz führen sollen: Beide Segmente sollten im Dialog stehen. Wie das im Einzelnen geschieht, wird bei Spielwaren Schweiger von Fall zu Fall entschieden. Das Buch zum Spiel mit Kosmos Die 3 ???, der Plüschcharakter zum Buch mit Paw Patrol oder Bobo Siebenschläfer. Die Disney-Bände und Harry Potter gehen – mit den entsprechenden Lizenzprodukten garniert –, in großer Anzahl über die Theke. 

Renaissance der Kinderbuch-Klassiker

Auch Klassiker, die derzeit eine Renaissance erleben so Klaus Müller, sind gern „in Gesellschaft“. Nicht nur bekennende Kidults greifen zur Lieblingslektüre aus der Kindheit und nehmen Pumuckl und Pippi Langstrumpf gerne als figürlichen Begleiter mit. Neueinsteiger setzen auf bekannte Titel. „Ferien auf Saltkrokan“, ein Bestseller von Astrid Lindgren aus den 60er Jahren, wird stark nachgefragt. „Der Roman ‚Emil und die Detektive‘ von Erich Kästner verkauft sich im Moment fast so gut wie eine Neuerscheinung“, so Klaus Müller. „Ebenso alle Bücher von Enid Blyton. Und der absolute Renner ist Gregs Tagebuch. Das hat schon Kultcharakter.“ 

Zurück zum Kind. Was gefällt denn den Kleinen oder den Großen, die für die Kleinen einkaufen? 

„Das sind ganz klar schöne Bilderbücher, die können gern auch etwas teurer sein. Vorlesebücher für die Quality time in der Familie, aber auch Leselernbücher, denn Eltern möchten ihre Kinder einfach fördern“, weiß Marion Müller. Und ergänzt: „Alles, was mit Sound zu tun hat, geht sowieso wie geschnitten Brot. Kinder mögen es einfach, wenn ein Buch mit ihnen kommuniziert, auf welche Weise auch immer.“

Ist denn eine Rückbesinnung auf das Buch zu beobachten?  „So weit würde ich jetzt nicht gehen, das hängt ein bißchen vom Elternhaus ab“, so Marion Müller. Aber man spürt schon, dass auch wenig Buchaffine Eltern gerne ein Buch mitnehmen als Ausgleich zum digitalen Alltag der Kinder.“ 

Note Eins fürs Schulsortiment

Wenn der Ernst des Lebens beginnt, ist in der Eslarner Straße die Hölle los. In der Ranzenabteilung sind zehn verschiedene Hersteller gelistet, 1.500 Ranzen sind auf Lager. Das und die Top-Fachberatung sind im weiten Umkreis konkurrenzlos. Und wer Ranzen kauft, nimmt gerne noch die eine oder andere kleine Überraschung für die Erstklässler mit: „Zum Schulstart sind es die Wissensbücher, auch Rätselbücher, Lern- und Rätselblöcke, die kommen dann statt Süßigkeiten in die Schultüte. Später sind es dann beispielsweise Lernhilfen aus dem Hauschka-Verlag. „Das sind die typischen Eltern- oder Großelterngeschenke, die den Kindern aber richtig Spaß machen, weil sie so pfiffig konzipiert sind“, weiß Klaus Müller. Note Eins für dieses gelungene Sortimentskonzept kann man da nur sagen.

Mehr Buch geht immer 

Klaus und Marion Müller ergänzen sich nicht nur perfekt in ihrer Arbeitsteilung, sie ziehen auch an einem Strang, wenn es um Expansion und um neue Bereiche geht, die sie in ihr Geschäft integrieren möchten. Manchmal werden sie aber auch von ihrer eigenen Experimentierfreudigkeit überrascht. Ehe sie sich’s versahen, war die vor einigen Jahren wieder installierte Buchabteilung 50 Quadratmeter groß und ein verlässlicher Umsatzbringer. Derzeit ist die Erweiterung auf 100 Quadratmeter in Arbeit. Es wird umgebaut. „Unser Stammpersonal und unsere Stammkunden kennen das schon“, lacht Marion Müller. „Bei uns tut sich immer was.“ Sie ist es auch, die kreative Ideen einbringt, wenn es um die Gestaltung geht. „Die neue Buchabteilung wird wie eine Bücherinsel, eine Art Geschäft im Geschäft konzipiert sein. Das zeigt die Kompetenz, die wir mit den Jahren erworben haben. Auf Neuerscheinungen weisen wir im Kassenbereich hin. Dort gibt es auch Thementische mit den aktuellen Bestsellern. Gerade liegt dort der neue Roman von Ursula Poznanski ‚Erebos 3‘. Aber er liegt nicht lange. Wir sind ständig am Auffüllen.“ 

Was geht, was bleibt, was kommt

Aber man kann doch nicht dauernd anbauen? „Nein, das kann man nicht“, schmunzelt Klaus Müller. „Man muss sich als Unternehmer im Handel kontinuierlich das Sortiment anschauen und entscheiden, was geht, was bleibt und was kommt. Bei uns sind es die Themen Sport, Auto und großvolumige Produkte, von denen wir uns trennen.“ Also weg mit den Rutschen, Schaukeln, Traktoren und Trampolinen? „Ja. Obwohl wir genügend Parkflächen direkt vor dem Geschäft haben, werden diese Artikel mittlerweile online gekauft. Es ist den Kunden zu umständlich, diese Waren zu transportieren. Man bestellt sie mit einem Klick und bekommt sie frei Haus geliefert. Wir haben eine gewisse Zeit beobachtet, ob das Segment wieder anzieht, aber die Shopper Journey in diesem Bereich hat sich nachhaltig verändert. Die Entscheidung fiel uns also nicht schwer. Diese Artikel benötigen viel Fläche und drehen sich einfach nicht schnell genug.“ 

Sortimentskompetenz aufbauen 

Wo holen sich die Müllers Anregungen über interessante Neuerscheinungen oder kleine Verlage, die nicht jeder kennt? Und wo bestellen sie die Bücher für ihr Geschäft? Dazu Klaus Müller: „Wir kaufen das meiste direkt bei den Verlagen. Auf diese Weise können wir unser Buchsortiment ganz individuell zusammenstellen. Oftmals bekommen wir auch Anregungen von unseren Buch-Stammkunden, die wir gerne aufnehmen.“ 

Und dann ist natürlich die Buchmesse eine riesige Inspirationsquelle. Also, auf nach Frankfurt. Vom 15. bis 19. Oktober ist die Buchmesse der Place to be für Buchhändler oder Unternehmer im Handel, die gerne über den Tellerrand schauen – wie Klaus und Marion Müller. 

Frankfurter Buchmesse
  • Buchmesse in Frankfurt: 15. – 19. Oktober 2025 

  • Rund 600 internationale Kinder- und Jugendbuchverlage stellen 2025 auf dem Messegelände Frankfurt aus

  • Fachbesuchertage: Mittwoch bis Freitag

  • Fachprogramm Frankfurt Kids zur Kinder- und Jugendliteratur

  • Kids Festival: Freitag bis Sonntag 

  • Mehr zum Besuch der Buchmesse 

Über die Autorin 

Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft. 

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