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Startups Teil 4: Die Vision einer besseren Welt

Agnawool – Soziale Verantwortung statt Profitmaximierung

Von Sibylle Dorndorf

Immer mehr Gründer entscheiden sich bewusst gegen den ständigen Wachstumszwang und gehen eigene Wege. Sie legen Wert darauf, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliches Engagement Hand in Hand gehen können. Diese sogenannten Zebras setzen sich mit ihrer Vision, zu einer besseren Welt beizutragen, von den profitmaximierenden Einhörnern ab. Dabei stoßen die Zebras bei der Beschaffung von Kapital oder Förderungen auf größere Hürden. Doch mit Ausdauer und Beharrlichkeit gelingt es ihnen, soziale und ökologische Aspekte stärker in den Mittelpunkt der Gründerszene zu rücken. Das beweist auch das Unternehmen Agnawool. 

Stippvisite bei Agna Wool Art

Das Herz des polnischen Startups Agnawool, das sich auf die Herstellung von Filzsets für Nadelfilzen spezialisiert hat, ist Agna Kurnatowska. Sie hat über zehn Jahre Erfahrung im Filzen – ihr wollverliebtes Herz steckt in jedem Set. Agna wählt dafür Methoden, Materialien und Techniken aus, die sich in ihrer eigenen Arbeit bewährt haben. So gelingen Einsteigern wie erfahrenen Hobbykünstlern liebenswerte Tierfiguren mit Leichtigkeit und Spaß. Die DIY-Sets enthalten alles, was zum Filzen der Tierfiguren benötigt wird. Und weil sie als Gründerin zur Spezies der Zebras gehört, legt Agna Wert auf nachhaltige und umweltbewusste Produktion.
 

Interview mit Agna and Pawel Kurnatowski

Agna, wann haben Sie Ihr Unternehmen gegründet?

Agna Kurnatowska: Das Projekt Agnawool entstand aus meinem Hobby, das ich mit der Unterstützung meines Mannes Pawel schließlich zum Beruf machen konnte. 
 

Wann genau wurde Ihr Hobby zum Beruf?

Agna Kurnatowska: Es war unser Durchbruch, als wir den Wettbewerb „Spielzeug des Jahres“ gewannen, die renommierteste Auszeichnung in Polen.
 

Pawel, was war der Auslöser für die Gründung des Unternehmens?

Foto: Agna Wool Art

Pawel Kurnatowski: Den Anstoß gab meine Frau als sie vor mehr als 15 Jahren das Nadelfilzen erlernte. Sie kaufte Materialien, aber es stellte sich heraus, dass es die Falschen waren, denn die Wolle war zum Nassfilzen gedacht und die Filznadeln waren billige Fälschungen, die nicht funktionierten. Aber Agna ließ sich nicht entmutigen, erlernte die Technik und kreierte wunderschöne Objekte. Nach einigen Jahren kam sie auf die Idee, dass wir Sets zusammenstellen könnten, die es auch Ungeübten ermöglicht, das Filzen zu erlernen und schöne Ergebnisse zu erzielen. So entstanden unsere DIY-Kits.
 

Haben Sie Unterstützung oder Fördermittel in Anspruch genommen?

Pawel Kurnatowski: Nein, wir haben alles selbst gemacht. Zuerst in unserer Wohnung, dann in der Garage, bis wir uns ein Büro und ein Lager leisten konnten. Wir sind organisch gewachsen, wollten keine Investoren, weil wir den Kurs, den wir eingeschlagen hatten und unser Tempo, zu wachsen, selbst bestimmten wollten.
 

Wie sieht Ihre Arbeitsteilung aus?

Pawel Kurnatowski: Das Design stammt von meiner Frau Agna. Alle Sets werden von ihr entworfen und zusammengestellt. Ich kümmere mich um das Marketing, die Produktion und den Verkauf. Wir ergänzen uns perfekt.
 

Agna, halten Sie die Branche, für die Ihr Produkt entwickelt wurde, für innovativ?

Agna Kurnatowska: In gewissem Sinne, ja. Generell beobachten wir einen Trend zur Rückbesinnung. Echte Kreativität wird wieder wichtiger. Wir bewegen uns weg von Spielzeugen oder Bausätzen, bei denen wir strikten Anleitungen folgen müssen und gezwungen sind, etwas eins zu eins nachzumachen, wenn wir Erfolg haben wollen.
 

Enthalten Ihre Sets keine Anleitung? 

Agna Kurnatowska: Unsere Bausätze enthalten eine Anleitung, an der sich der Empfänger orientieren kann, aber wir ermutigen dazu, die Objekte individuell zu gestalten. Sehr oft kaufen Kunden zum Beispiel einen Bären, um ein Wasserschwein zu kreieren oder einen Fuchs, um ein Eichhörnchen zu fertigen. Ich habe schon Wildschweine mit Irokesenhaaren gesehen, Meerschweinchen, die als Mäuse mit Schwänzen daherkamen oder einen Bison mit einem Hut.
 

Pawel, warum haben Sie gerade diese Kategorie gewählt?

Foto: Agna Wool Art

Pawel Kurnatowski: Meine Frau und ich lieben beide kreative Dinge und umgeben uns gerne damit. Wir möchten diese Möglichkeit jedem geben, der sich an etwas Kreativem versuchen möchte.
 

Wie und wo verkaufen Sie Ihre Sets? 

Pawel Kurnatowski: Wir haben mehrere große Handelskunden in den USA, Kanada und den skandinavischen Ländern. Das sind Geschäfte, für die Qualität, Design und Ökologie wichtig sind. Wir würden gern organisch weiterwachsen und suchen nach Partnern überall auf der Welt, mit denen wir eine langfristige Zusammenarbeit aufbauen können. Wir sind offen für neue Märkte und können unsere Sets derzeit in mehr als 12 Sprachversionen anbieten.
 

Foto: Agna Wool Art

Wie nachhaltig sind Ihre Produkte?

Pawel Kurnatowski: Unsere Wolle ist 100 Prozent natürlich. Echte polnische Schafswolle, ökologisch gefärbt. Auch die Verpackungen sind aus Recyclingpapier hergestellt.
 

Welche Hürden mussten Sie überwinden?

Pawel Kurnatowski: Da gab es viele, angefangen bei den Finanzen. In neue Märkte expandieren und neue Kits entwickeln kostet viel Geld. Wir haben viele Ideen, um unser Portfolio mit weiteren Produkten zu erweitern. 

Ein weiterer Punkt war die Komplexität der Gesetzgebung. Das zu bewältigen war eine Herausforderung. Dinge, die uns in den Abläufen überfordert haben, haben wir ausgelagert wie zum Beispiel die Logistik.
 

Würden Sie heute wieder ein Unternehmen gründen?

Pawel Kurnatowski: Ja, ohne Frage. Für uns sind Freiheit und die Möglichkeit, kreative Dinge zu tun, sehr wichtig, wichtiger als Sicherheit, Berechenbarkeit und eine Festanstellung in einem großen Unternehmen.
 

Was würden Sie anders machen?

Foto: Agna Wool Art

Pawel Kurnatowski: Wir würden uns mehr Zeit geben. Es dauert bis der Markt ein neues Produkt akzeptiert. Ich erinnere mich an eine Begegnung auf der Spielwarenmesse in Nürnberg, im zweiten Jahr, als wir dort waren. Ein Kunde kam auf uns zu und sagte: Ach, Sie sind wieder da. Gut. Jetzt können wir über eine Zusammenarbeit sprechen.

Der Spielwarenmarkt ist riesig und innovative Produkte haben es schwer, sich gegen Big Player oder Unternehmen, die schon lange auf dem Markt sind, durchzusetzen. Wir kleinen Newcomer brauchen Geduld und einen langen Atem. 
 

Welchen Rat würden Sie anderen Gründern geben?

Pawel Kurnatowski: Tut das, was Euch wichtig ist und was Ihr gerne tut – und habt Geduld. 
 

7 Fakten über die globale Startup-Szene
  • Startups sind eine treibende Kraft in der Weltwirtschaft.
  • Weltweit gibt es über 150 Millionen Startups.
  • Führend sind die USA mit 82.038 Startups, gefolgt von Indien mit 17.438.
  • Trotz ihres Wachstums sind nur etwa zehn Prozent der Startups langfristig erfolgreich.
  • Durchschnittlich werden jeden Tag 137.000 Startups gegründet. Die meisten von ihnen scheitern jedoch, bevor sie eine solide Etablierungsphase erreichen.
  • 34 Prozent der Startups gaben an, dass ihr Scheitern auf eine mangelnde Nachfrage nach ihren Produkten zurückzuführen sei.
  • Weniger als ein Prozent der Startups erreichen eine Bewertung einer Milliarde US-Dollar.

Startup-Artikel im Überblick:

Startups Teil 1: Am Anfang war die Idee
Über Innovationskraft, Erfolg und das Risiko des Scheiterns 

Startups Teil 2: Gründen in der Spielwarenbranche
Smartek - Von der Unternehmensgründung zum Universalgenie

Startups Teil 3: Willkommen Zebras und Unicorns
Die zoologische Vielfalt und das Potenzial von Startups in Zeiten von Multikrisen

Startups auf der Spielwarenmesse

Mit der StartupArea ermöglicht die Spielwarenmesse jungen Unternehmen, neue Geschäftskontakte zu knüpfen. Auf dieser Sonderfläche in Halle 3A stellen Startups ihre Produktideen der Spielwarenbranche vor.

StartupArea Paket für internationale Unternehmen
Voraussetzung: Gründung vor max. fünf Jahren.
Angebot umfasst 6 m² Standfläche mit Ausstattung.

Förderprogramm Young Innovators für deutsche Unternehmen
Unterstützung durch das Wirtschaftsministerium.
Angebot umfasst bis zu 15 m² Standfläche.

Über die Autorin

Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft.

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