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Stippvisite in der Buchhandlung Hentschel

Buch trifft Spiel: Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Es gibt Buchhandlungen und Buchhandlungen. Bundesweit sind es in Deutschland rund 6.000 – eingerechnet alle Buchverkaufsstellen von der Kleinstadtbuchhandlung bis zum Buchkaufhaus, von der literarischen Buchhandlung bis zum hochspezialisierten Fachsortiment. Und es gibt die Buchhandlung Hentschel in Burscheid. Sie ist, so Inhaberin Ute Hentschel, nicht bloß ein Ort, an dem Bücher gekauft werden, sondern ein fester Bestandteil in der kulturellen Landschaft des Rheinisch-Bergischen-Kreises. Die Literaturwissenschaftlerin gründete 2005 nach langjähriger Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen der Buchbranche ihre eigene Buchhandlung. Mittlerweile ist das Geschäft eine Institution – und ein Ort der Begegnung. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon heißt Andrea Lunau. Die, wie sie selbst sagt, Buchhändlerin aus Leidenschaft ist seit 2010 ein Teil des Teams der Buchhandlung Hentschel. Die Mutter von drei Kindern ist nicht nur buchbegeistert, sondern eine passionierte Spielerin. Was läge näher, als zum Buch noch ein ausgesuchtes Sortiment an Gesellschafts- und Familienspielen anzubieten? 

Ausgezeichnet

Die Buchhandlung Ute Hentschel ist eine der acht besten Buchhandlungen Deutschlands. Sie erhielt im September 2024 die „Silbermedaille“ des Deutschen Buchhandlungspreises.

Wie alles begann

Die Pandemie hatte ein Gutes: Sie hat zahlreiche innovative Geschäftsmodelle hervorgebracht. Zum einen, weil die alten Konzepte nicht mehr funktionierten, zum anderen, weil sich die Menschen während der Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen Hobbys zuwandten, die sie entweder aus der Kindheit kannten oder neu entdeckten. Man traf sich innerhalb der Familie oder dem – überschaubaren – Freundeskreis und spielte. Kinder-, Familien-, Brett- und Partyspiele waren gefragt wie nie. Die oft zweistelligen postpandemischen Umsatzzuwächse der Spielverlage sprechen eine deutliche Sprache. Nun möchte man meinen, nach Corona und mit der wiedergewonnenen Freiheit hätten die Menschen sich schnell wieder anderen Vergnügungen oder Hobbys zugewendet. Weit gefehlt. Viele Lebensgewohnheiten haben sich nachhaltig verändert. Und warum sollte man etwas aufgeben, was Spaß macht? An dieser Stelle kommt Andrea Lunau zu Wort. Sie erzählt von ihrer Affinität zu Spielen und warum Spiele sich im Buchhandel wie zuhause fühlen.

Andrea Lunau, Buchhändlerin im Team von Ute Hentschel, ist eine der 5 to Watch 2025. Im Januar 2025 erhielt sie die Auszeichnung „5 to Watch“, eine Initiative von Bücherfrauen e.V. und The Female Publisher. Die beiden Netzwerke würdigen damit fünf Persönlichkeiten der Buchbranche, die sich durch außergewöhnliches Engagement verdient gemacht haben. 

Nachgefragt bei Andrea Lunau

Frau Lunau, Sie haben aus einer Leidenschaft ein Geschäftsmodell gemacht. Eine Buchhandlung, in der regelmäßig Spieleabende stattfinden ist nicht die Regel …

Andrea Lunau: Die Regel vielleicht nicht, aber unserer Meinung nach passen Spiele einfach gut zu Büchern und wenn man dann noch selbst gerne spielt, liegt das einfach nahe. 

Seit wann führen Sie in der Buchhandlung Hentschel Spiele?

Andrea Lunau: Wir haben schon vor der Pandemie ein kleines Spielesortiment geführt. Nach Corona nahm das Segment aber richtig Fahrt auf. Während der Lockdowns begannen viele Menschen zuhause gemeinsam zu spielen. Das war natürlich auch bei uns in der Familie und im Freundeskreis so. Wir haben auch unter den Kolleginnen begeisterte Spielerinnen und so kam eins zum anderen. 

Spiele sind beratungsintensiv. Sie führen ja nicht unbedingt die bekannten Namen, sondern setzen eher auf die kleineren Verlage …

Andrea Lunau: Das stimmt. Wir führen kein Mainstream-Sortiment, das man in den großen Spielwaren- oder Buchgeschäften oder auch online kaufen kann. Wir wollten uns abheben und eine Nische besetzen. Ich glaube, anders hätte das auch nicht so gut bei uns funktioniert. Unser Motto lautet: Bei uns finden Sie Dinge, die Sie nicht gesucht haben. 

Das heißt, Sie haben unter Ihren Stammkunden auch Menschen, die spontan ein Spiel mitnehmen?

Andrea Lunau: Genau. Es gibt aber auch einfach Spiele, die gut zum Buchhandel passen wie zum Beispiel die Fitzek-Spiele aus dem Moses Verlag. Die legen wir zu den Fitzek-Büchern ins Krimi-Regal und nicht auf irgendeinen Sondertisch in der Ecke. Auch alle Spiele rund um Wörter, Buchstaben und Literatur ergänzen unser Buchsortiment nahezu perfekt. Und wir haben festgestellt, dass komplexe Spiele mit fantastischen Szenarien unsere Leserinnen und Leser ebenfalls sehr ansprechen. 

Konnten Sie über Ihr Spielesortiment auch Neukunden gewinnen? 

Andrea Lunau: Ja. Das waren zum einen Menschen, die über einen Spontankauf zum Spiel gefunden haben, aber wir profitieren auch davon, dass es in Burscheid kein Spielwarengeschäft mehr gibt. Viele Kinder füllen ihre Geburtstagskisten gern mit kleinen und großen Spielen auf. Es kommen also Kundinnen und Kunden zu uns ins Geschäft, die nicht buchaffin sind, sondern gezielt Spiele suchen. Und es kommen mittlerweile auch die passionierten Vielspieler.

Kauft diese Zielgruppe nicht eher online? Die Spielefreaks kennen sich ja aus? 

Andrea Lunau: Wir stellen immer wieder fest, dass wir mit der Online-Konkurrenz ganz gut klarkommen, auch wenn wir Spiele mitunter etwas teurer anbieten müssen. In den Preiskampf der Big Player können und wollen wir nicht einsteigen und auch nicht in die Rabattaktionen, die gerade vor Weihnachten im Spielwarenhandel gefahren werden. Offensichtlich schauen die Kunden, wenn sie gut beraten werden und sich in einem Geschäft wohl fühlen, nicht auf den Euro. Es gilt: Was man kennt, verkauft man gut. 

Stichwort kaufen: Sie kaufen bei Spielen Kleinstmengen ein, da sind die Konditionen sicher nicht berauschend? 

Andrea Lunau: Konditionen sind ein hartes Thema, da haben Sie recht. Wir bestellen über viele Wege – bei den Verlagen direkt oder auch bei unserem Barsortiment. Wir mussten uns erst einmal in die Spielebranche einfinden, es läuft anders als im Buchhandel. Wir kennen diese harten Preiskämpfe nicht und mussten lernen, dass ausgerechnet Spiele, die eine Auszeichnung wie beispielsweise „Spiel des Jahres“ bekommen haben, von den Mitbewerbern stark rabattiert werden. Das macht sie für uns dann leider uninteressant. 

Auf zur Lieblings-Buchhandlung am 23. April

Am 23. April ist Welttag des Buches! Die UNESCO hat den Tag 1995 dem Buch und dem Lesen gewidmet. Eine gute Gelegenheit, um in Spielwaren- oder Buchhandlungen, Menschen Lust aufs Lesen zu machen. Die Stiftung Lesen und weitere Kooperationspartner geben Ideen für spannende Bücher und Aktionen.

Sind Sie auf den Geschmack gekommen, sprich, führen Sie in der Buchhandlung Hentschel auch Spielwaren?

Andrea Lunau: Durchaus. Wir haben eine auch eine Auswahl an Kinderspielzeug zum Beispiel von Spiegelburg/Coppenrath Verlag, Kosmos, Topp Verlag und von Moses. Gern kaufen wir aber auch bei kleinen Manufakturen besondere Produkte, die unsere Kunden nicht überall bekommen. Wir haben zirka 120 Quadratmeter und präsentieren eine bunte Mischung: Neben Büchern führen wir auch Dekorationsartikel, kleine Geschenke, Spiele und Spielwaren. 

Und dann veranstalten Sie noch Spieleabende, wie geht das platzmäßig?

Andrea Lunau: Die Spieleabende machen wir nur im Sommer, und zwar draußen vor der Tür. Im Geschäft wäre das mittlerweile nicht mehr machbar, das Interesse ist zu groß. Wir haben das Glück, dass wir vor der Buchhandlung eine große Außenfläche mit acht Tischen haben. Petrus muss ein begeisterter Spieler sein, denn bisher hat das Wetter immer mitgespielt. 

Wie muss man sich die Spieleabende vorstellen?

Andrea Lunau: Wir spielen mit unseren Gästen vor allem gern neue Spiele und stellen regelmäßig Spiele vor, die noch nicht so bekannt sind. Beispielsweise Kennerspiele. Sprich, wir greifen zu Titeln, die Spielefans ansprechen, aber durchaus auch ein Publikum, das neue Herausforderungen im Spiel sucht. Wir bringen aber auch immer wieder Klassiker mit, die wir persönlich besonders gern spielen. 

Wo informieren Sie sich über Neuerscheinungen?

Andrea Lunau: Wir pilgern alljährlich nach Essen zur SPIEL. Das ist ein Pflichttermin, der uns allen viel Spaß macht und wo wir immer viel Inspiration und neue Spiele mitnehmen. Unterjährig belegen wir Spieleseminare bei Spieleverlagen wie Kosmos und Amigo. Denn um Spiele gut zu verkaufen, muss man sie gespielt haben. Den Kunden einfach nur das Produkt in die Hand zu drücken, genügt nicht. 

Messetermine für Buch & Spiel

Buchmesse in Frankfurt: 15. – 19. Oktober 2025

SPIEL in Essen: 23. – 26. Oktober 2025

Spielwarenmesse in Nürnberg: 27. – 31. Januar 2026 

Bologna Children’s Book Fair: 13. – 16. April 2026 

Sie geben Ihr Wissen mittlerweile auch weiter … 

Andrea Lunau: Ja. Inzwischen geben meine Kollegin und ich selbst Spieleseminare für interessierte Buchhändlerinnen und Buchhändler. Wir versuchen unsere Leidenschaft für das Thema Spiele weiterzugeben und Kollegen dazu zu ermuntern den Bereich Spiele auch für sich und ihr Unternehmen zu entdecken. 

Wie viele Spieletitel führen Sie in etwa?

Andrea Lunau: Wir haben aktuell zirka 50 unterschiedliche große Brettspiele und zirka 50 verschiedene Mitbringspiele auf Lager. In der gesamten Betrachtung machen Spiele etwa 30 Prozent unseres Gesamtsortiments aus. Und wir hätten gern mehr. Es gibt so viele schöne Spiele, aber der Platz reicht nicht aus und natürlich müssen wir – wie bei Büchern – kuratiert einkaufen. 

Und all jenen, die Seminare zum Thema Wie findet und besetzt man eine Nische? planen oder anbieten, sei gesagt: Andrea Lunau hat die Nische gefunden. Einfach so. Aus Leidenschaft, mit frischen Ideen und viel Engagement. 

Unabhängige Buchhandlung Ute Hentschel

Die 2005 von Ute Hentschel gegründete gleichnamige Buchhandlung in Burscheid präsentiert auf 120 Quadratmetern Bücher von über 200 Verlagen, darunter viele Titel aus kleinen unabhängigen Verlagshäusern, dazu Spiele, Geschenkartikel, Dekoratives sowie Burscheider Fanartikel. Seit 2020 ist das Team der Buchhandlung nicht nur analog, sondern auch digital unterwegs. Podcast, Newsletter, Buchclub und Videos sind nicht nur Kundenbindungsinstrument, sondern Belege für die Begeisterung und das Engagement des Teams.

Über die Autorin

Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft. 

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