Menu

Das Spiel mit den US-Zöllen

Was bedeuten die US-Zölle für das weltweite Toy-Business?

Von Steve Reece

Am Anfang des Jahres hatte alles noch so gut ausgesehen, und man hatte vielerorts mit einem Marktaufschwung nach etlichen schwierigen Jahren gerechnet. Und bis Mitte 2025 zeigen die öffentlich verfügbaren Daten auch durchaus ein Wachstum im mittleren einstelligen Bereich für viele traditionelle Spielwarenmärkte.

Die Verkaufszahlen sind bis jetzt also prächtig, aber die Spielwarenbranche steckt trotzdem in großen Schwierigkeiten, weil die Trump-Administration viele Länder, die Spielwaren in die USA exportieren, mit hohen Zöllen belegt hat. Aber bevor wir uns das Thema Zölle genauer anschauen, sollten wir uns zunächst darüber klar werden, wie groß die Herausforderungen im Vergleich zu anderen Krisensituationen sind, mit denen wir in der Vergangenheit zu tun hatten. Nur so können wir richtig einschätzen, wie hoch das Risiko für die Spielwarenbranche insgesamt ist.

Black Swan-Events ohne Ende…

Black Swan-Events, also Ereignisse, die ganz unvermittelt eintreten und schwerwiegende Auswirkungen haben, hat die Toy-Branche schon einige gesehen:

  1. Das Internet hat ganz viele Bereiche unseres Lebens revolutioniert, darunter auch die Spielwarenbranche.
  2. Durch die Zunahme der sozialen Medien hat sich außerdem verändert, wie Verbraucher Informationen beziehen, wie sie ihre Meinung zu Spielwaren und Games kundtun und wie wir uns mit ihnen über unsere Produkte und Marken austauschen können.
  3. Infolge der globalen Banken- und Finanzkrise in den Nullerjahren sind viele Spielzeugeinzelhändler verschwunden: KB Toys in den USA, Woolworths in Großbritannien, Quelle in Deutschland und viele andere weltweit.
  4. Wir alle haben die Coronazeit selbst erlebt, deswegen muss ich hier nicht ins Detail gehen, aber klar ist, dass die COVID-19-Pandemie sowohl für die Gesellschaft als solche als auch für die Spielzeugbranche ein disruptives Ereignis war.
  5. Nach der Pandemie kamen dann die hohen Frachtkosten. Die Preise für Transporte von China nach Europa oder Nordamerika schnellten von 2.000 Euro auf bis 20.000 Euro und mehr pro Container.

… und nun auch noch die Zollkrise 2025

Die Zollkrise 2025 hatte das Zeug, noch verheerender zu werden als die Black Swan-Events der jüngeren Vergangenheit. In den USA, dem größten Toy-Markt weltweit, wussten Spielzeugunternehmen auf einmal nicht mehr, ob sie es sich überhaupt noch leisten konnten, die Warenbestände einzukaufen, die sie fürs Überleben brauchten. 

Als die US-Zölle auf Importe aus China dann 145% erreicht hatten, machten viele Unternehmen in den USA die Schotten dicht. Das hatte zur Folge, dass die Zahl der hochqualifizierten, fähigen und erfahrenen Arbeitskräfte, die einen neuen Job suchten, durch die Decke ging.

Auswirkungen auf die großen Spielwarenunternehmen

Die Kommunikation der großen Spielzeugunternehmen gegenüber der Öffentlichkeit war dagegen alles andere als alarmistisch, und das hat drei Gründe:

  1. Die großen Player in der Spielzeugbranche haben schon vor mehr als zehn Jahren damit angefangen, ihre Produktion auf verschiedene geografische Standorte aufzuteilen. Deswegen lässt sich jetzt ein plötzlicher Anstieg der Zölle für ein Land zumindest teilweise durch die Verlagerung der Produktion in andere Länder abfedern.
  2. Außerdem wollte man auf keinen Fall Ärger mit der US-Regierung – auch wenn das nicht immer allen gelungen ist.
  3. Großunternehmen verfügen über Reserven und kommen besser an Fremdkapital und können sich so einfacher für einen aufkommenden Sturm wappnen. Außerdem änderten sich die Zollsätze ja immer wieder, was den Unternehmen die Möglichkeit gab, diese Schwankungen durch umsichtiges Handeln auszugleichen und gleichzeitig noch Mittel aufzutreiben, um die zusätzlich entstehenden Kosten zu bestreiten. Diese Möglichkeit haben kleinere Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind und ihre Cashflows auf Tagesbasis kalkulieren, gar nicht.

Auswirkungen auf die KMUs

Besonders kleine und mittlere Spielzeugunternehmen haben die mit den Zöllen einhergehenden Unsicherheiten zu spüren bekommen, weil sie in der Regel weniger Arbeitskräfte und weniger Finanzmittel haben. Wenn man eine Belegschaft von 5.000 Leuten hat, ist es gar kein Problem, ein Sourcing-Office in einem neuen Land aufzumachen, in dem 5 oder 6 Mitarbeiter tätig sind. Wenn Sie dagegen nur 10-20 Mitarbeiter haben, dann ist ein über mehrere Länder verteiltes Beschaffungswesen nicht unbedingt der Traum Ihrer schlaflosen Nächte.

In zahlreichen Medien wurde das Zollthema überwiegend als Problem gesehen, das nur Amerika selbst betrifft. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus, denn die USA sind nun einmal der größte Absatzmarkt für Spielwaren, und zwar für nahezu alle Spielwarenunternehmen. Produziert werden diese Waren allerdings hauptsächlich in China oder anderen asiatischen Ländern, gegen die ebenfalls hohe Zölle verhängt wurden. Das heißt, dass das Problem ein globales ist, und von den Spielzeugherstellern rund um den Globus über den Einzelhandel in den USA bis hin zu den Produktionsstätten weltweit nahezu alle Player der Spielwarenindustrie betrifft. Es geht also drunter und drüber und man darf froh sein, dass bis jetzt der Löwenanteil der 2025 produzierten Waren noch zu halbwegs akzeptablen wirtschaftlichen Bedingungen verschifft werden konnte. Wären die Bedingungen noch schlechter gewesen, hätten wir leere Regale und viele Insolvenzen in der Spielwarenbranche gesehen.

Das Problem dürfte in Zukunft kleiner werden 

Wie sind die Aussichten für 2026 und darüber hinaus? Klar ist, dass die apokalyptischen 145%, die im Raum standen, ein schwerwiegendes Eigentor für die USA mit heftigen finanziellen Konsequenzen für die dortige Wirtschaft, Unternehmen und Verbraucher wären, wenn sie denn wirklich umgesetzt werden. Zwar ist die Aussicht auf Zölle in Höhe von „nur“ 30% für die Nachfrage nach Spielwaren auch eher suboptimal, aber wenigstens würden die Geschäfte dann zumindest einigermaßen weiterlaufen. Dabei sind die Zugeständnisse und Kompromisse der US-Regierung nicht in Stein gemeißelt und es besteht jeden Tag die Gefahr, dass urplötzlich Zölle erhöht oder neu verhängt werden. Die Gründe dafür können geopolitischer oder auch ganz schlicht persönlicher Natur sein, was ein Alptraum für alle ist, die mit Planung beschäftigt sind.

Die Spielwarenindustrie muss daher bereit sein, sich schnell und flexibel auf sich ändernde Verhältnisse einzustellen. Wahrscheinlich ist auch, dass der Bereich Beschaffung sowie Diversifizierung und Reaktivität auch in Zukunft von entscheidender Bedeutung für den geschäftlichen Erfolg sein werden und es mit den alten Gewissheiten ein für allemal vorbei ist.

Über den Autor

Steve Reece ist seit 25 Jahren in der Spielwarenbranche unterwegs. Zuerst war er bei Hasbro für die Markenführung von wichtigen Brands wie Monopoly, Play-Doh und Trivial Pursuit zuständig. Mittlerweile betreibt er eine Unternehmensberatung mit dem Namen Kids Brand Insight, die Anbieter von Spielwaren dabei unterstützt, robuste und diversifizierte Lieferketten aufzubauen und passendes Personal zu finden.

Das könnte Sie auch interessieren