
Startups Teil 3: Willkommen Zebras und Unicorns
Die zoologische Vielfalt und das Potenzial von Startups in Zeiten von Multikrisen
Von Sibylle Dorndorf
Finde eine Geschäftsidee und mach dein Ding – das war gestern. Wenn Multikrisen und geopolitische Herausforderungen sogar das Hyperwachstum der Global Player beenden, was bedeuten diese Rahmenbedingungen dann für die Gründerszene?
Die Finanzierungsmöglichkeiten für Startups haben sich verschlechtert, dennoch steigen die Gründungszahlen, wenn auch sehr moderat. Wirken Krisen als Katalysatoren für Innovation? Die befragte KI pflichtet Wirtschaftsanalytikern bei und sagt: Ja. Gründen in herausfordernden Zeiten erfordert zwar sorgfältigere Planung und Anpassungsfähigkeit. Krisen können aber auch Chancen für Innovation und neue Geschäftsmodelle bieten.
Der Goldrausch ist vorbei
Und damit die Zeit der Unicorns. Im Startup-wording sind Einhörner keine Fabelwesen, sondern Newcomer mit einer extrem hohen Marktbewertung. Startups, deren Wert vor dem Börsengang oder einem Exit der Investoren auf mindestens eine Milliarde US-Dollar geschätzt wird.
Doch wenn die Zeiten hart werden, hilft weder Einhorn-Glitzer noch monetärer Sternenschweif. Die Überflieger landen auf dem Boden der Realität. Wurden in Startups jahrelang Milliarden investiert, sitzt das Geld nach der Pandemie und angesichts der globalen Krisen nicht mehr so locker.
Zeit der Zebras
Seit die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen steigt die Zahl der Gründer, die sich bewusst vom Wachstums-Druck distanzieren. Sie setzen andere Akzente, denn sie haben verstanden, dass ein profitables Geschäftsmodell und gesellschaftliche Verantwortung einander nicht ausschließen. Allerdings haben diese Gründer es im Vergleich zu den profitorientierten Startups der Spezies Einhorn deutlich schwerer, an Kapital und Unterstützung zu gelangen. Um eine positive Bewertung von sozialen und ökologischen Kriterien in der Gründerszene zu erreichen, haben sie sich unter dem Gegenbegriff Zebras zusammengetan. Zebras deshalb, weil sie wie die schwarz-weiß gestreiften Huftiere zwei scheinbare Gegensätze vereinen: Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
Spielwaren Startup-Expertise von Steve Reece

Steve Reece besucht seit über 25 Jahren die Spielwarenmesse – und ebenso lang ist er in der Spielwarenbranche tätig. In seinen Anfängen verantwortete Steve Reece bei Hasbro klassische Marken wie Monopoly, Play-Doh und Trivial Pursuit. Später arbeitete er in verschiedenen Regionen, Funktionen und Unternehmen der Spielwarenbranche. Er leitete erfolgreiche Startups und managte ikonische Marken. Heute berät Steve Reece Spielwarenunternehmen über sein Beratungsunternehmen Kids Brand Insight bei der strategischen Diversifizierung ihrer Lieferketten, der Rekrutierung von Mitarbeitern und der Installierung von Auslandstöchtern.
Nachgefragt
Steve, lassen Sie uns über Startups sprechen, eine Ihrer Kernkompetenzen. Wie viele Gründer haben Sie schon beraten?
Steve Reece: In den letzten anderthalb Jahrzehnten habe ich zirka 200 Startups im Bereich Spielware und nicht-digitaler Spiele beraten. Viele dieser Unternehmen waren erfolgreich. Aber natürlich gab es auch einige, die es nicht geschafft haben. So ist die Welt der Startups: Pleiten und Misserfolge sind ein Teil der Reise.
Was ist das Besondere, in der Spielwarenbranche zu gründen?
Steve Reece: Wir arbeiten in einem Geschäft mit einem eng definierten jährlichen Verkaufszyklus. Aber auch für andere Branchen gilt: Selbst wenn Sie das beste Startup in der Geschichte der Menschheit betreiben – Sie werden einen langen Atem brauchen, um Ihr Unternehmen zu einem gewissen Erfolg zu führen.
Das ist ziemlich demotivierend …

Steve Reece: Ich weiß, aber ich möchte ehrlich sein. Neue Marktteilnehmer kommen oft mit hohen Erwartung in diese vermeintlich verspielte Branche. Sie wollen alle Regeln brechen, den Markt stören und so weiter, weil sie in schlauen Büchern gelesen haben, dass man das heutzutage so machen muss. Die Quintessenz ist, dass man durchaus als rebellischer, innovativer Quereinsteiger erfolgreich sein kann. Man kann über Amazon direkt an die Verbraucher gehen und ein Viertel oder ein Drittel des Marktes erreichen, was in der Vergangenheit nicht möglich war. Aber das ist mühsam. Wenn Ihr Businessplan vorsieht, dass Sie im ersten Jahr bei Walmart gelistet werden und von Null auf Hundert starten, dann haben Sie vergessen, die Rahmenbedingungen und den Markt realistisch abzuklopfen. So funktioniert es einfach nicht.
Kann man nur verkaufen, was man liebt?
Steve Reece: Natürlich halten Gründer ihr Produkt für großartig. Das ist auch gut so. Wenn Sie nicht von Ihrem Produkt überzeugt sind, können Sie es auch nicht gut verkaufen. Aber bedenken Sie, es gibt tausende von Produkten, die von Gründern angeboten werden, die ähnlich denken.
Sprechen Sie aus Erfahrung?
Steve Reece: Ja. Ich war selbst ein enttäuschter Produktentwickler und -erfinder. Und ich habe im Laufe der Jahre mit Hunderten von Produkterfindern gesprochen und zu tun gehabt.
Die Erfolgreichen machen Folgendes: Sie validieren ihre Produkte und deren potenzielle Attraktivität frühzeitig mit Menschen, deren Meinung zählt und die Ahnung haben. Der zweite Schritt: Sie stellen die emotionale Bindung an ihre Kreationen hintan und gehen zügig in den knallharten Verkaufsmodus über. Und ganz wichtig: Hängen Sie Ihr Herz nicht an Produkte, die der Markt aus triftigen Gründen nicht will!
Aber man muss sich als Gründer doch treu bleiben?
Steve Reece: Man kann auch in Schönheit sterben. Viele Gründer haben eine subjektive Vorstellung davon, was der Markt will. Wenn die Marktchancen eindeutig in eine andere Richtung gehen, dann sollten Sie dieser Richtung folgen. Ob Sie wollen oder nicht: Sie müssen sich an der Nachfrage orientieren. Nehmen wir mal an, Sie haben ein anspruchsvolles Produkt entwickelt, das für gehobene Verkaufsstätten und für anspruchsvolle Konsumenten bestimmt ist, aber der Markt zeigt deutlich, dass das Produkt besser in ein unteres Marktsegment passt mit einer weniger aufwendigen Präsentation und einem günstigeren Preis. Was tun Sie? Sie können stur Ihren Weg weiter verfolgen und sich die Gelegenheit entgehen lassen, Erfolg zu haben. Ich persönlich hätte lieber den Erfolg und das Geld auf meinem Konto, aber das muss jeder selbst entscheiden.
Steve, ich danke Ihnen im Namen der Leserinnen und Leser herzlich für diese ehrliche und professionelle Einschätzung. Dürfen interessierte Gründer Sie konsultieren?
Steve Reece: Gerne. Sie erreichen mich in meiner Beratungsfirma unter Kids Brand Insight.
Über die Autorin
Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden. Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft.


