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bio!TOY 2025: Spielzeug nachhaltiger machen

So kommen biobasierte und recycelte Materialien aktuell zum Einsatz

Von Daniele Caroli

Auf der vierten bio!TOY Konferenz, die am 01. und 02.04.2025 in Nürnberg stattfand, ging es vor allem um die unterschiedlichen Facetten von Nachhaltigkeit in der Spielwarenproduktion. Besonders im Fokus stand die Frage, wie sich aus fossilen Rohstoffen gewonnene Kunststoffe durch nachwachsende Rohstoffe und recycelte Materialien ersetzen lassen. Sowohl die vor Ort anwesenden Besucher als auch die online zugeschalteten Teilnehmer hatten sichtlich Freude am Diskutieren und Fachsimpeln. Die vom Branchenblatt Renewable Carbon Plastics organisierte Veranstaltung wird von verschiedenen Organisationen unterstützt, zu denen auch die Spielwarenmesse eG gehört. Die Eröffnungsrede hielt Sharon Keilthy von STAC (Sustainable Toys Action Consulting) mit einem Fazit zur Toys Go Green-Area auf der Spielwarenmesse 2025. Von ihr erfuhr das Publikum, dass 84 von 107 eingereichten Produkten angenommen wurden. Bei den Biokunststoffen war Bio-PE der am häufigsten verwendete Werkstoff, gefolgt von Bio-PP. Von den 84 ausgestellten Spielzeugartikeln waren 25 aus recyceltem Kunststoff, 22 aus Holz, 20 aus Pappe/Papier, 8 aus Biokunststoff, 8 aus recyceltem Holz, 6 aus Biobaumwolle und 2 aus Kork gefertigt.

Nachhaltigkeit ist komplizierter als man denkt

Søren Kristiansen

Nach einer Einführung durch STAC-Mitgründerin Sonia Sánchez, in der es um die unterschiedlichen Facetten des Konzepts Nachhaltigkeit ging, berichtete der für den Fachbereich Werkstoffe zuständige Leiter der Technologie-Abteilung von Lego Søren Kristiansen, wie das dänische Unternehmen bei der Beschaffung von nachhaltigen Produktionsmaterialien vorgeht. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: Playability, Sicherheit, Langlebigkeit, ob der Kunde das Material als qualitativ hochwertig empfindet, ob es wiederverwendbar oder recycelbar ist und wie die Lieferkette bis zum Rohstoff aussieht. Im Jahr 2024 wurden bereits 33% der LEGO-Produkte aus erneuerbaren Materialien gefertigt, und die Suche nach geeigneten Werkstoffen geht weiter. Allerdings stehen Biomasse und recycelte Kunststoffe nur in begrenzten Mengen zur Verfügung, sodass das Unternehmen auch in Zukunft nicht ohne CO2-basierte Ressourcen auskommen wird. Als nächstes war Brendan Hill an der Reihe, der bei Braskem den Bereich Nachhaltige Marktentwicklung und Vertrieb EMEA verantwortet und den ambitionierten Zeitplan der europäischen Kunststoffindustrie vorstellte. Dieser sieht vor, dass bis zum Jahr 2050 bereits 65% aller eingesetzten Kunststoffe aus der Kreislaufwirtschaft stammen sollen. Das soll in erster Linie durch mechanisches und chemisches Recycling sowie den Einsatz von Biomasse erreicht werden. 35% der Kunststoffe werden aber immer noch aus fossilen Rohstoffen stammen. Am zweiten Konferenztag gab dann Alexander Kronimus vom deutschen Ableger des Verbands der Kunststofferzeuger Plastics Europe zu bedenken, dass die Nutzung von Kunststoff bis 2060 um das Zwei- bis Dreifache zunehmen wird, weil die Weltwirtschaft und auch die Weltbevölkerung weiter wachsen. Dies geht mit einem gestiegenen Risiko der Freisetzung von Plastikmüll in die Natur einher, was die Stärkung des Kreislaufgedankens zwingend erforderlich macht.
 

Die leidige Kostenfrage

Um ein Thema kam man auf der Konferenz nicht herum: die höheren Kosten. Niklas Voss von FKuR Kunststoff räumte ein, dass „die Kosten definitiv höher sind, aber von der jeweiligen Anwendung abhängen“. Magdalena Stebetak von Gowi konnte diese Aussage nur bestätigen und berichtete, dass das 200 Jahre alte österreichische Spielzeugunternehmen unlängst drei Produktlinien gelauncht hat: eine aus zuckerrohrbasiertem Polyethylen, eine aus 95% PCR-recycelten Materialien und eine aus zu 100% recycelten Schnullern, die dann zu Sandspielzeug verarbeitet werden. Im Ergebnis sind die Materialkosten für Babyflaschen und -becher aber zu hoch. „Außerdem müssen große Mengen abgenommen werden, und zwar gegen Vorkasse. Das macht unser Biospielzeug zu teuer für den Markt. Die Verbraucher nehmen lieber Produkte aus herkömmlichem Kunststoff, weil diese billiger sind, außerdem ist die Nachfrage seitens der Endkunden nicht so hoch wie erwartet.“ Stanislaw Hafka von Kaneka, einem Unternehmen, das das biobasierte und biologisch abbaubare Polymer Green Planet produziert, berichtete, dass der Materialpreis zwar doppelt so hoch sei wie der von herkömmlichen Kunststoffen, man aber die Kosten der Abfallentsorgung nicht außer Acht lassen dürfe, die angesichts der demnächst anstehenden neuen Vorschriften steigen dürften. Ganz zu schweigen von den Bedenken bei Verbrauchern und anderen gesellschaftlichen Gruppen, wenn es um persistente Mikroplastikpartikel geht. Auf der Q&A-Fragerunde zum Abschluss der Konferenz brachte dann Dennis Gies von Toynamics Europe noch einen ganz anderen Blickwinkel ein, nämlich dass „Kosten nicht der ausschlaggebende Faktor bei Kaufentscheidungen sein können, wenn es um Nachhaltigkeit geht, weil die Materialkosten ja nur ein Drittel der Gesamtkosten eines Produkts ausmachen.“ In die gleiche Richtung ging die Argumentation des Chefs von Italtrike Stefano Gandolfi, der ein interessantes Beispiel brachte: „Wir haben die Produktion unserer Räder auf einen neueren, teureren, aber auch nachhaltigeren Werkstoff umgestellt, dafür aber bei den Produktionskosten gespart, weil wir unsere Anlagen gleich mit erneuert haben.“

Produktion biobasierter Polymere nimmt zu

Wenn es um die zur Verfügung stehenden Materialien geht, dann ist es Aufgabe der chemischen Industrie, der Spielzeugbranche die passenden Lösungen zu liefern. Dazu stellte der Gründer und CEO der Beratungsfirma Nova-Institute Michael Carus unterschiedliche Spielwaren aus biobasierten Polymeren und Bioverbundwerkstoffen vor und führte aus, dass im Jahr 2023 weltweit 394 Millionen Tonnen Kunststoff aus fossilen Rohstoffen hergestellt wurden, während es gerade einmal 4 Millionen Tonnen biobasierte Kunststoffe waren. Gleichzeitig wurden im gleichen Jahr nur 0,023% der weltweit nachgefragten Biomasse (immerhin 13,6 Mrd. Tonnen) für die Produktion von biobasierten Polymeren genutzt, was einen Flächenanteil von gerade einmal 0,013% entspricht. Aktuell steigen die Produktionskapazitäten für zahlreiche Biopolymere auf der ganzen Welt. Asien hat hier mit 59% die Nase vorne, gefolgt von Nordamerika (16%), Europa (13%, der Anteil soll aber wachsen) und Südamerika (11%).

Immer noch keine einheitliche Zertifizierung

Sharon Keilthy und Magdalena Stebetak sagten dann noch übereinstimmend, dass „nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung derzeit Green Products nachfragt.“ Breite Zustimmung fand die Aussage, dass man die Verbraucher besser aufklären und informieren könnte, wenn es eine einheitliche Zertifizierung für nachhaltige Produkte gäbe. Das Programm für ethische Lieferketten (ESCP) arbeitet derzeit an einem Sicherheitscheck für Recyclingmaterialien mit dem Namen Recycled Materials Chemical Safety Assessment. Carmel Giblin, Präsidentin und CEO von ESCP, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Spielzeugbranche sich einen standardisierten Prozess wünscht, da der Einsatz von recycelten Materialien mit einer ganzen Reihe von zusätzlichen Variablen verbunden ist, für die die derzeit existierenden chemischen Prüfsysteme ungeeignet sind. Daher bedarf es einer regulatorischen Datenbank, über die Recyclingmaterialien und deren Lieferfähigkeit abgefragt werden können. Dieser Service ist eigentlich für die Industrie gedacht, könnte aber auch das Vertrauen der Verbraucher stärken. Der digitale Produktpass der Europäischen Union, der auch Angaben zum CO2-Fußabdruck und zur Umweltfreundlichkeit eines Produkts enthalten soll, ist hier eine gute Lösung.

Welchen Beitrag kann das Design leisten?

Luisa Torres von Feber und Stefano Gandolfi von Italtrike führten dann noch aus, dass die verwendeten Materialien nur ein Aspekt zur Beurteilung der Nachhaltigkeit bei Toys sind und zahlreiche andere Faktoren berücksichtigt werden müssen. Fabio Guaricci, seines Zeichens Gründer und Creative Director bei TOY Design Studio, betonte, dass Design auch im Bereich Nachhaltigkeit eine große Rolle spielt. Er veranschaulichte dies anhand des Design for Disassembly, bei dem das Produktdesign darauf abzielt, dass Produkte am Ende ihrer Lebensdauer einfacher auseinandergenommen werden können, um sie besser dem Recycling bzw. einer Wiederverwendung oder Aufarbeitung zuzuführen. Dabei müssen Aspekte wie Modulbauweise, standardisierte Verbindungsteile sowie eine verständliche Beschriftung integriert werden, die Aufschluss darüber gibt, wie ein Produkt auseinandergebaut werden kann und welche Materialien in ihm verbaut sind. Dies setzt natürlich die Zusammenarbeit zwischen Designer und Marke voraus. 
Zum Abschluss dankte Michael Thielen vom Branchenblatt Renewable Carbon Plastics (ehemals Bioplastics-Magazin) allen Teilnehmenden und gab bekannt, dass die nächste bio!TOY-Konferenz 2027 stattfindet.

Toys go Green

Nachhaltigkeit im Fokus
Mit dem Special "Toys go Green" in Halle 3C verankert die Spielwarenmesse das Bewusstsein für Nachhaltigkeit tiefer in der Branche. Ein Besuch auf Spielwarenmesse Digital zeigt die innovativen und umweltfreundlichen Spielwaren, die einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Zukunft leisten. 

Zu Toys go Green auf Spielwarenmesse Digital

Über den Autor
Der italienische Journalist Daniele Caroli ist seit 1994 Herausgeber und Redakteur von internationalen Fachzeitschriften für Baby- und Kleinkindartikel sowie Spielwaren. Er war Vorsitzender der Verbände BCMI (Baby Care Magazines International) und ITMA (International Toy Magazines Association). Davor war er als Journalist für Musik- und Verbraucherelektronik-Magazine tätig.
 

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