
Spielen als sozialer Motor
In Graz schafft Ludovico aus der Spielvermittlung ein Kulturzentrum
Von Peter Budig

Wer das Brettspiel und Städtereisen liebt, kann diesen Artikel als Reiseempfehlung verstehen: Warum nicht einmal nach Steiermark in die Landeshauptstadt Graz? Die zweitgrößte Stadt Österreichs ist eine lebendige, junge Universitätsstadt mit fast 63.000 Studenten, mit einer Altstadt, die als Weltkulturerbe geschützt ist – und mit Ludovico, einem Spiel(e)ort am Karmeliterplatz, wo man Spielen als Haltung feiert. Vor 39 Jahren wurde diese Ludothek, also eine Ausleihstelle für Brett- und Gesellschaftsspiele, als private Initiative gegründet. Sie ist auf 100 Quadratmeter mit sieben Spieltischen gewachsen und beherbergt 4.900 Spiele in drei Räumen.
Ludovico als vielseitiger Kulturort etabliert

Heute ist Ludovico viel mehr, ein Ort, wo man sich zum Spielen oder Spieleausleihen trifft. Es ist eine Organisation, die jährlich zwei Spielefestivals veranstaltet und die hinausgeht, in Schulen, Gemeinden und auch Firmen, um für das Spielen zu werben. Ludovico eröffnet dem Kulturgut Spiel neue Dimensionen. Der Verein wurde auf Initiative einer engagierten Frauengruppe 1986 gegründet, Elfriede Hofer war die erste Geschäftsführerin. Ihr Mann, Arno C. Hofer folgte 2012. Von ihm hat Sarah Ulrych die Leitung 2017 übernommen – zwei Jahre nach ihrem Einstieg als Spielpädagogin. Insgesamt arbeiten neun Leute fest bei Ludovico, mit ganz unterschiedlichen beruflichen Wurzeln. „Rechnet man die Woman- und Man-Power in Vollzeitstellen um, wären wir fünf“, klärt Ulrych auf. Sie als Chefin zu bezeichnen, findet sie nicht angemessen, weil es „ein Bild impliziert, das auf Hierarchie, Macht und Arbeitsaufträgen fußt“, doch dass sie voranzugehen weiß, ist nicht zu übersehen. Nicht nur einen Arbeitsplatz, auch viel Persönliches hat sie dieser Aufgabe zu verdanken: „Ich bin heute ganz sicher, dass dieses Ausprobieren, mit Menschen wieder spielerischer umzugehen, der richtige Weg ist. Es macht fast alles für alle schöner.“
Wer von Ludovico erzählt, bringt auch Sarah Ulrych ins Spiel. 1980 in Graz geboren, hat sie Germanistik und Geschichte auf Diplom studiert. Sie hat sich beim ORF, bei Printmedien, an Theatern umgesehen; war als Theaterpädagogin und interkulturelle Elternbegleiterin tätig, und hat als Gewaltpräventions-, Diversitäts- und Zivilcourage Trainerin gearbeitet. Doch erst bei Ludovico hat sie eine nachhaltige berufliche Heimat gefunden. „Ludovico ist wie ein Familienbetrieb, 2015 begann ich dort als Spielpädagogin zu arbeiten und übernahm 2017 dann die Geschäftsführung.“ Sarah Ulrych spielt schon ihr Leben lang und ist privat eine überzeugte Anhängerin vergnüglicher und kurzweiliger Spiele.
Ein Umzug mit Menschenkette

Zweimal wurde die Ludothek seit der Vereinsgründung umgesiedelt. Der Umzug von der Herrengasse zu den jetzigen Vereinsräumlichkeiten war speziell, ein spektakuläre Gemeinschaftsleistung. Mit Hilfe von Schulklassen wurde eine lange Menschenkette von der Herrengasse über die Sporgasse bis zum Karmeliterplatz gebildet und die Spiele durch die Stadt von Mensch zu Mensch weitergereicht. Ein schönes Bild, dass auch sinnbildlich für den Vereinszweck steht: Menschen durch Spiele zusammenbringen.
Digitale Spielformen sind willkommen
2012 kam der damals noch sehr umstrittene Videospielbereich dazu. Ludovico hat also den Beweis geführt, dass alle Spielformen, die analogen und die digitalen, wunderbar neben- und auch miteinander funktionieren. Menschen, die gerne spielen, probieren sich vergnügt durch die unterschiedlichen Medien. Videospiele verdrängen nicht zwangsläufig Brettspiele, vielmehr bringen beide Spielformen immer mehr Menschen ins Spielen und das Spielen immer mehr in die Mitte der Gesellschaft.
Seit über 35 Jahren veranstaltet Ludovico jährlich das Festival der Spiele. Hier dreht sich alles um Brett- und Kartenspiele, ein kleiner Bereich digitaler Spiele lädt zum Ausprobieren ein.
Termin 2025: Mitte November.
Im März folgt das Button Festival – Festival der digitalen Spielekultur im Messe Congress Graz, im größten Gaming-Wohnzimmer der Steiermark.
Spieleabende – der Publikumsrenner

Die offenen Spielenachmittage und -abende erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Gestartet wurde mit anfangs nur fünf-köpfigen Spielerunden, nun sind es oft über 100 Menschen, die einmal im Monat das gemeinsame Spielen bei Ludovico genießen. Ludovico ist eines der großen Zentren der Begegnung im Süden Österreichs. Und 2026 wird das 40-Jahr-Jubiläum gefeiert mit vielen Spielaktionen in der ganzen Steiermark und speziellen Programmpunkten bei beiden Festivals.
Über den Autor
Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.


